Die Liebeslotterie
tausendfach, man möge es ihm nachsehen, das Haus von Caras Vater.»
Agathe keuchte verzückt, dann schlug sie sich schnell eine Hand an die Stirn und änderte ihren Ausdruck in Entsetzen. «Oh nein. Wie schrecklich! Hat sie geschrien? Ist sie in Ohnmacht gefallen?»
«Oh, da kennst du Cara schlecht. Sie geht zum Anführer, setzt sich auf seinen Schoß, legt einen Arm um seinen Hals und sagt: ‹Oh, Herr Hauptmann, ich kenne da ein viel besseres Haus, viel größer und aus richtig gutem Stein gebaut. Es steht direkt am Fluss und gehört dem einzigen Verräter des ganzen Dorfes. So einen können wir hier nicht gebrauchen.› Das sagte sie. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Ich sehe ihr Gesicht so deutlich vor mir, wie ich deins jetzt sehe.»
Mamma Cesare schwieg für einen kurzen Augenblick, dann fragte sie: «Du weißt, wessen Haus gemeint war, nicht wahr?»
Agathes Herz hüpfte in ihrer Brust. Ja, sie wusste es. «Es war Cesares Haus.»
«Cesares Haus», nickte Mamma Cesare bedächtig. «Jawohl, und noch am selben Nachmittag wurde es abgerissen.»
«Sie müssen sie gehasst haben», sagte Agathe. «Wahrscheinlich wollte das ganze Dorf sie tot sehen?»
«Eigentlich nicht. Natürlich, ich habe sie gehasst, aber schließlich war ich auch ihre beste Freundin. Ich hatte das Recht, sie zu hassen, niemand sonst. Vermutlich hatten die anderen Verständnis. Jeder hätte so gehandelt. Mein Haus, Cesares Haus – lasst uns Cesares Haus opfern. Wer weiß, ob er jemals zurückkommt? Aber er kam zurück.»
Schnitt auf eine Haustür, es ist die erste, die sich an diesemMorgen öffnet. Die schöne Agathe Stopak, einen Besen in der Hand, macht sich an ihr Tagwerk – die bescheidene, aber tadellos saubere Hütte zu reinigen. Den Tag hat sie wie immer mit einem Gebet begonnen. «Himmlischer Vater, lass heute den Tag sein, an dem Cesare nach Hause kommt. Und falls ich noch ein bisschen länger warten muss, behüte und schütze ihn.» Wir sehen Agathe in Nahaufnahme, die Kamera ruht auf ihrem Gesicht, sie hat die Augen geschlossen und bewegt ihre Lippen in stiller Andacht, während im Hintergrund sanft eine Orgel spielt. Sie öffnet die Augen. Sie schaut ins Tal hinunter. Ist da etwas? Kann es wahr sein? Nach den vielen Monaten des Wartens? Agathe lässt den Besen fallen und läuft aus dem Dorf.
«Willkommen zu Hause», sagt Agathe mit sanfter Stimme. Schwesterlich legt sie ihre Hand auf Cesares Arm. «Cara wird außer sich sein vor Freude.» Aber da ist etwas in Cesares Augen, ein Funkeln, das sagt: «Während all der einsamen Monate des Kämpfens und des Tötens, des Leides und der Schmerzen habe ich das Bild einer einzigen Frau im Herzen getragen. Soll Cara zur Hölle fahren. Ich begehre nur dich! Dich und dich allein, für immer!» Und Cesare, einfühlsam von Horace Dukas gespielt, nimmt sie in seine starken Arme und küsst sie. Einstellung halten, Nahaufnahme, weiche Abblende uuund … SCHNITT!
«Mitten in der Nacht erreicht er das Dorf», erzählte Mamma Cesare. «Die Hunde bellen. Alle wissen, was das bedeutet. Jetzt hat niemand mehr Angst. Der Krieg ist vorbei. Ich höre den Krach. Ich schaue aus dem Fenster. Ich sehe ihn. Ich sage nichts. Ich mache nicht auf. Ich schweige.»
«Was ist dann passiert? Wohin ist er gegangen?»
Mamma Cesare fiel fast vom Bett. «Bist du verrückt? Erwar ein junger Mann. Monatelang war er im Krieg, und die ganze Zeit kann er nur an eines denken und wann er es endlich bekommt. Bist du verrückt? Er ging zu Cara.»
Agathe war entsetzt. «Zu Cara? Nach allem, was sie ihm angetan hatte? Und Sie haben das zugelassen?»
«Natürlich. Ich bin doch nicht verrückt.»
Jetzt wurde es knifflig. Jetzt wurde es kompliziert. Agathe dachte bei sich, dass allmählich ein paar tiefgreifende Drehbuchänderungen erforderlich werden könnten – selbst für jenes anspruchsvolle Publikum, das sich für Filme mit dem Gespann Agathe Stopak/Horace Dukas interessierte.
«Na schön», sagte sie, «Sie haben ihn ziehen lassen. Und dann?»
Mamma Cesare sagte: «Ich war nicht dabei. Woher soll ich wissen, was dann passiert ist? Ich weiß nur, dass er das Dorf noch vor der Abenddämmerung wieder verlassen hat. Aber als er diesmal an meinem Haus vorbeikommt, folge ich ihm einfach mit dem wenigen Geld, das ich besitze, und meinen wenigen Kleidern. Und an der Kreuzung wartet er auf mich, er hat sich umgedreht und sieht mich kommen. Ich sage: ‹Nimm mich mit›, und er sagt: ‹Besser als
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