Die Liebeslotterie
dich fürs Anstreichen, nicht fürs Zeichnen. Außerdem dachte ich, du hättest es aufgegeben – den ganzen Kunstkram.»
«Ich kann nicht», sagte Hektor, «ich hab’s einfach im Blut. Still sitzen!»
Stopak drehte sich halb zum Fenster um. «Besser? Hast du eigentlich jemals ein Bild verkauft?»
«Bin kurz davor.»
«Du solltest dich darauf beschränken, Dachrinnen und Fensterrahmen anzumalen. Damit stopft man hungrige Mäuler.»
«Das ist nicht alles im Leben», sagte Hektor. «Wie spät?»
Stopak warf einen Blick auf seine Uhr. «Öffnungszeit! Komm.»
«Vorher spüle ich das Geschirr.»
«Ach was», sagte Stopak, «wir verschwenden wertvolle Kneipenzeit. Das kann Agathe erledigen, wenn sie nach Hause kommt.»
«Wo steckt sie überhaupt?»
«In der Kirche, wieder mal. Ständig rennt sie in die Kirche.»
«Klar, um die heilige Walpurnia um Keuschheit zu bitten.»
«Dafür ist es zu spät, mein Freund. Ich sag es dir, meine Frau ist wie eine läufige Hündin. Sie lässt mir keine Ruhe. Kann ihre Finger einfach nicht von mir lassen. Ich sag dir, was du tun solltest – du solltest sie malen! Male Agathe. Ein nettes, großes Aktportrait, das wir über den Kamin hängen können.»
Hektor klappte seinen Skizzenblock zu und steckte ihn in seine Jackentasche, zurück neben das braune Büchlein von Omar Khayyam. «Das könnte ich unmöglich tun», sagte er. «Agathe? Nackt? Das wäre nicht in Ordnung. Ich denke gar nicht daran …»
Sie zogen die Tür hinter sich zu, und Achilles kehrte an seinen Platz neben dem Ofen zurück, um sich die Hoden zu lecken.
Und kurz nachdem er sich ans Werk gemacht hatte, bereiteten sich die Männer von der Feuerwehrkapelle auf diePause vor. Mit apfelgleich aufgeblasenen Backen und überströmt von Schweiß, der aus ihren Helmen lief, galoppierten sie durch die letzten Takte, wobei ihre Gedanken schon bei der Bierkiste waren, die hinter dem Parkwächterhäuschen neben der Rasenwalze in einer Zinkwanne stand. Alle Blicke hingen am Dirigenten. Achtung, nicht nachlassen, auch Herr Glockenspiel nicht! Und jetzt alle zusammen, großes Finale uuund … Applaus!
«Leider haben wir erst die Hälfte geschafft», sagte Yemko mit Grabesstimme.
«Ich frage mich, warum Sie gekommen sind, wenn Sie die Musik verabscheuen», antwortete Agathe.
«Vielleicht liegt mir mehr an der Gesellschaft als an der Musik. Das müssten Sie doch eigentlich verstehen, nicht wahr, Frau Stopak?»
In einer leiseren Umgebung, ohne die fröhlichen, lauten Leute ringsum, hätte man Agathes «Tse!» vielleicht gehört, so aber bemerkte es keiner; und da sie in der ersten Reihe saß und alle Blicke mehr oder weniger nach vorn gerichtet waren, bemerkte nur Tibo, dass sie ihre Hand zurückzog und in einem wütenden Schmollen die Arme kreuzte. Aber selbst jetzt stahl Yemko ihr die Show, indem er sich den Hut vom Kopf nahm, ihn auf seinen Gehstock setzte und wie eine Flagge in die Höhe hielt.
«Was in aller Welt tun Sie da?», fragte Agathe.
«Ja», flüsterte Tibo, «was tun Sie da?»
«Wie Sie feststellen werden», sagte Yemko, «bin ich ein nie versiegender Quell der Unterhaltsamkeit.» Er lächelte ein sympathisches, verbindliches, unwiderstehliches Babylächeln, und Agathe musste unwillkürlich zurücklächeln.
Yemko stieß den Gehstock in die Luft und fing an – «Umpah,umpah, umpapah» –, jene alberne Melodie nachzusummen, die die Kapelle zuvor gespielt hatte. Das Verwunderliche war, dass niemand in der Menge es zu bemerken oder auch nur ansatzweise seltsam zu finden schien, selbst als er den Stock herumwirbelte und den Hut kreisen ließ wie die chinesischen Artisten, die vor zwei Spielzeiten im Opernhaus mit ihren Tellern auf Stöcken solche Erfolge gefeiert hatten. «Das ist anstrengend», keuchte er, «ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte.»
«Na ja, falls ich damit eine Katastrophe abwenden kann», kicherte Agathe, «könnte ich für eine Weile übernehmen. Umpah, umpah, umpapah!»
«Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Frau Stopak, aber wie es scheint, besteht keine Notwendigkeit.» Und damit ließ er den Stock sinken, stellte das Summen ein und rief stattdessen theatralisch: «Tataaa!»
Neben Agathe tauchte ein dünner Mann in einer Chauffeursuniform auf. Er trug einen großen, zusammengeklappten Bambustisch und einen Picknickkorb.
«Sie haben ihm Zeichen gemacht», sagte Tibo.
«Natürlich habe ich ihm Zeichen gemacht, Krovic. Dachten Sie, ich hätte den Verstand
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