Die Liebesluege
Nagellackfläschchen und Parfumflakons, die Wände waren voller Poster von Reitern und Reiterinnen auf Vollblutpferden, Familienfotos - eines zeigte Swetlana in Reitdress und wehenden Haaren auf einem Rappen - sowie Baden-Badener
oder Schweizer Sehenswürdigkeiten, außerdem duftete es wie in einer Parfümerie.
»Mein Gott! Was für ein Albtraum«, stieß Charly hervor.
»Fremde Zimmer betritt man nicht!«, zischte eine Stimme hinter Elenas Rücken.
Charly und Elena wirbelten herum. »Wir hatten uns angekündigt; schon vergessen?«, konterte Charly.
Swetlana ging nicht darauf ein. »Ihr seid neu, deshalb lassen wir euch die Unverschämtheit gerade noch einmal durchgehen. Aber wehe, ihr schleicht euch ein zweites Mal heimlich in unser Zimmer!«
»Habt ihr etwas zu verbergen? Drogen? Diebesgut? Sexspielzeug?« Charly blitzte sie herausfordernd an. »Hätten wir uns heimlich in euer Zimmer geschlichen, hätten wir die Tür hinter uns zugemacht. Im Übrigen könnt ihr uns mal!«
Sie griff nach Elenas Hand und zog sie mit sich. Elena stolperte hinter ihr her. Als sie aufsah, bemerkte sie drei Mädchen und zwei Jungs, die auf dem Flur standen und die Szene beobachtet hatten.
»Seid ihr die Neuen?«, fragte das Mädchen mit dem dunklen Lockenkopf.
»Wir kennen uns nicht, also müssen wir es wohl sein«, gab Charly zurück.
»He, sei nicht so empfindlich. Ihr könntet auch Besucher sein, oder?«
»Wir sind die Neuen«, antwortete Elena bereitwillig.
»Na dann! Willkommen in Villa Rosa.«
Der größere Junge, er trug eine Brille, hatte grüne Augen und lockige, dunkle Haare, die er mit einer raschen Bewegung aus dem Gesicht schleuderte, trat einen Schritt vor. »Regel Nummer eins: Alle Neuen müssen sich der hier herrschenden Hierarchie unterordnen.«
Charly wurde rot im Gesicht. Bevor sie eine ihrer bissigen Antworten geben konnte, erkundigte sich Elena schnell: »Was heißt das?«
»Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit -«
»- Schwesterlichkeit«, warf der Lockenkopf ein.
»Okay, Schwesterlichkeit«, erwiderte der Junge friedfertig. »Vergesst das. Als Neue habt ihr erst mal keine Rechte. Soll heißen: Wer wie wir in Klasse Fünf gekommen ist, hat das Sagen. Also kuscht, seid bescheiden, spielt euch nicht auf, haltet den Mund und achtet die Alten.«
Elena riss die Augen auf. »Das ist nicht dein Ernst, oder?« Auf den ersten Blick hatte sie den Jungen ziemlich attraktiv und nett gefunden, aber nun war sie sich nicht mehr sicher, ob der erste Eindruck auch stimmte.
»Voll zurück ins Mittelalter«, schnaubte Charly. »Ich fass es nicht. Bitte sag, dass du uns auf den Arm nimmst.«
»Max hat recht. Ihr kommt in Klasse Zehn zu uns -«
»- und das auch noch zu Anfang des zweiten Halbjahres«, warf die Blonde ein.
»- was einen ganz schlechten Eindruck auf uns macht«, bestätigte der größere Junge, Max, mit einem Nicken, »- der sollte den Mund nicht so weit aufreißen. Wenn er’s doch tut, bekommt er eine gescheuert - bildlich gesprochen.«
Die Blonde kicherte. »Sexspielzeug! Drogen und Diebesgut! Damit habt ihr es bei Swetlana bis in alle Ewigkeit verdorben. Da Valerie nichts tut, was Swetlana nicht billigt, ist auch die eure Feindin.«
Charly reckte ihr Kinn kämpferisch vor. »Das halte ich aus.«
»Oho!« Der etwas kleinere Junge mit den blonden kurz geschnittenen Haaren drohte ihr mit dem Finger. »Sag das
nicht! Du solltest Swetlana nicht unterschätzen. Wie heißt du eigentlich?«
»Charly. Ich sage dir was: Wenn Swetty ihre Muskeln spielen lässt - ebenfalls bildlich gesprochen -, dann lasse ich meine hüpfen.«
Die fünf lachten. »Also auf zum fröhlichen Kräftemessen. Wir werden eurem Kampf mit Vergnügen zusehen.«
»Aber Hilfe darfst du nicht erwarten, Charly«, fügte die Lockige hinzu.
»Hab ich euch darum gebeten?«
Max steckte die Hände in die Hosentaschen und grinste Charly herausfordernd an. »Hast du nicht. Aber wir haben euch gewarnt. Alles klar?«
»Quatsch.« Charly kreuzte die Arme vor der Brust. »Ihr wollt uns nur einschüchtern. Nur zu; vielleicht seid ihr so abgedreht, dass euch das Spaß macht.«
»Komplett begriffsstutzig. Du hast noch immer nichts kapiert.« Max zog die Mundwinkel verächtlich nach unten und wandte sich Elena zu. »Dein grauer Pulli ist absolut scheußlich. Ich an deiner Stelle würde ihn hier nicht tragen.«
Die Blonde bedeckte die Augen mit der Hand. »Die Farbe schmerzt.«
»Er kommt aus einem Spendensack fürs Rote Kreuz«, fügte die
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