Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
schlich den Gang entlang. Er brauchte etwas gegen die Schmerzen, und dann würde er sich an die Arbeit machen. Er musste sie gut machen.
Nordmannschiffe umrundeten die äußeren Inseln, rechteckige Segel blähten sich in einem Wind, der die Mauern des Kapitelhauses nicht erreichte. Alderan runzelte die Stirn. Wieder ein Wettersang. Nun, das beseitigte jeden verbliebenen Zweifel daran, wer den Sturm geschickt hatte, der die Kielkätzchen beinahe zum Kentern gebracht hatte. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich unter großen Anstrengungen zur Entspannung. Er konnte es sich nicht leisten, von Fehlern aus der Vergangenheit abgelenkt zu werden, und er durfte auch nicht an Rache denken. Die Sicherheit des Kapitelhauses erforderte seine ganze Konzentration.
Er schickte sein Bewusstsein weiter hinaus, nach Pensaeca, wo schwarze Langschiffe im Hafen ankerten und die Stadt brannte. Gehörnte Helme schwärmten durch die Straßen; die Nordmänner mit ihren Bärten und Zöpfen plünderten, nahmen nur das mit, was sie tragen konnten – die kleinen und kostbaren Dinge. Alles andere warfen sie in die Gosse, oder sie zerschmetterten es. Die Tavernen am Marktplatz hatte es offenbar schwer getroffen, denn die Türen klafften auf, die Fensterscheiben waren eingeworfen, und roter Wein floss wie Blut über die Pflastersteine.
Die ersten Plünderer, die auf der Straße nach Südosten den Ort verließen, wurden von einem Pfeilhagel empfangen. Hier standen die Bäume dicht beieinander, und die schmalen Waldpfade waren ein undurchdringliches Labyrinth für jedermann, der sie nicht sehr gut kannte. Ein Nordmann nach dem anderen wirbelte herum und packte nach den gefiederten Pfeilschäften, die ihm aus Rücken und Beinen hervorstanden. Ein grimmiges Lächeln kräuselte Alderans Mundwinkel. Die Inselleute mochten zwar nur Bauern und Fischer sein, aber sie wussten, wie man einen Bogen benutzte. Sogar die Schäferjungen schossen mit ihren Schleudern und trafen Augen und Schädel. So einfach war Pensaeca nicht einzunehmen.
»Kannst du sie sehen?«, fragte Masen, der sich auf die Langschiffe konzentriert hatte, die Kurs auf Pencruik nahmen.
»Ja. Sie leisten erbitterten Widerstand. Pensaeca hat Zähne.«
Alderan richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Stadt unter ihm. Anker wurden geworfen, und Beiboote trugen bereits die ersten Kriegerwellen an Land. Es gab keinen Widerstand. Er sah Bewegungen in den Wäldern und Obstgärten, die die stadtauswärts führende Straße säumten. Wie auf Pensaeca, so würden die Nordmänner auch hier eine Überraschung erleben, wenn sie sich ins Landesinnere aufmachen sollten.
Donner rollte durch den Himmel und erschütterte die Luft mit eiserner Faust. Irgendwo im Innern des Gebäudes jammerte ein kleines Kind.
Alderan packte die Steinbrüstung mit beiden Händen und richtete sich mit seiner inneren Stimme an die Verteidiger. Macht euch bereit .
Jenseits des Schildes ließ sich eine Möwe träge von der Brise tragen und schwebte außer Sichtweite. Ich bin immer bereit .
Sei vorsichtig, Aysha , rief Alderan ihr zu. Lachen floss durch den Äther zu ihm zurück, begleitet von strahlenden Farben. Ihr Rot war heute sehr blutig und pulsierte wie ein Herz.
Weiterer Donner drang von Norden an sein Ohr. Die Gewitterwolken türmten sich vom Horizont bis zum Zenith auf, Schwarz über Grau über krankem Gelb. Das Tageslicht nahm ab. Wieder donnerte es, dann verband ein Blitz die Erde mit dem Himmel wie ein glühend heißer Draht und elektrisierte die salzige Luft.
Nun würde es nicht mehr lange dauern. Das Gewicht eines fremden Willens drückte gegen Alderans Geist; ein Finger bohrte sich in den Schleier der Welt. Das Jammern des Kindes wurde schriller und quälte seine Ohren. Sogar dieses nicht ausgebildete, unberührte Talent spürte den Druck, der auf den Schleier ausgeübt wurde. Und er selbst, der Älteste und vermutlich Weiseste von ihnen allen, seit mehr als dreißig Jahren ein Wächter des Schleiers, war unfähig, es zu verhindern.
Der Sturm schien sich auf eine Stelle zu konzentrieren. Die Wolken drehten sich dort langsam zu einem Wirbel, und der Himmel wirkte, als würde er in Richtung Erde gedrückt. Alderan öffnete sich für den Sang. Über Pensaeca bildete sich eine Art Beule am Himmel. Rhythmisch zog sie sich zusammen und dehnte sich wieder aus, wie eine schreckliche Parodie auf den menschlichen Herzschlag. Donner erschütterte das Kapitelhaus, und die Scheiben klirrten in den Fensterrahmen.
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