Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Die scheußliche Beule riss auf, und Dämonen wurden herausgeschleudert – viel mehr als beim letzten Mal, viele Hundert mehr, gallengelb und schwarz und rot wie altes Blut. Sie schwärmten auf krummen, ledrigen Flügeln über dem Kanal aus. Es waren Tausende, und noch immer kamen weitere hinzu.
»Gütige Göttin«, keuchte Masen. »Ich hatte nie geglaubt, dass ich das noch einmal sehen muss.«
»Ich auch nicht, aber jetzt sind sie hier. Mut, alter Freund.« Alderan streckte die Hand aus und klopfte Masen auf die Schulter.
Die ersten Dämonen waren nun schon so nahe gekommen, dass sie deutlich von dem Schwarm unterscheidbar waren. Sie hatten zerdrückte Gesichter, zu breite Münder und scharfe Zähne. Innerhalb weniger Minuten würden sie den Schild erreicht haben.
»Gib acht auf Tanith, Masen«, sagte Alderan. »Wir müssen uns an die Arbeit machen.«
Sein Freund lief davon, aber Alderan schaute ihm nicht nach. Er wagte es nicht, den Blick von den sich versammelnden Dämonen abzuwenden. Der Sang in ihm sprudelte wie eine Quelle, frisch und klar wie immer, und wartete darauf, die Gestalt anzunehmen, die er ihm gab. Er hob die Arme so instinktiv, wie er atmete, und rief nach einem Blitz.
Der erste Feuerball explodierte in der vordersten Reihe der Dämonen, und geschwärzte Fetzen regneten auf den Schild herab. Die Verwundeten kreischten, als sie schwer zur Erde fielen. Öliger Rauch verschmutzte die Luft. Sekunden später zischte ein weiterer Feuerball in die nächste Reihe, und fast sofort kamen zwei von rechts und links hinzu. Dämonen wurden zu Fleischabfall zerrissen, doch die Lücken im Schwarm wurden sofort wieder aufgefüllt. Die vordersten trafen auf den Schild und prallten von ihm ab, dann flogen sie abermals gegen ihn. Grelle Blitze flogen von Meister zu Meister unter der Kuppel des Schildes, während Krallen darauf nach Halt suchten und keilförmige Kiefer nach den Verteidigern schnappten, die sie unmöglich erreichen konnten.
Alderan trat einen Schritt zurück und streckte seine inneren Fühler entlang des Gewebes zu den anderen Meistern aus. Bei einem oder zweien spürte er große Anspannung, aber er hatte keine Zeit, sie zu beruhigen. Dem Plan zufolge, den er entworfen hatte, würden sie entweder standhalten oder fallen. Wenn sie versagten, würden andere ihren Platz einnehmen, und wenn auch diese anderen fielen, gab es immer noch die Adepten.
Ladet den Schild auf!
Die Macht des Sangs strömte mit aller Gewalt in ihn ein, drang binnen eines Herzschlags nach außen und umgab das gesamte Kapitelhaus.
Jetzt!
Der Schild blitzte silbern auf, und die Dämonen verbrannten.
34
Kühler Stein unter ihm. Hände an seinen Schläfen. Ein verbrannter Geruch in der Luft. Gair öffnete die Augen, und sofort wurden sie von einem grellen Blitz versengt.
»Heilige Mutter!«, keuchte er und kniff sie sofort wieder zusammen.
»Entspann dich, Gair.« Taniths Stimme, ganz nah.
Er wagte noch einen Blick.
Sie beugte sich über ihn; unter ihrem Sang sträubten sich die Härchen an seinen Armen. »In ein paar Minuten geht es dir wieder gut.«
Der Sang verblasste, und sie half ihm, sich aufzurichten und den Rücken gegen die Mauer zu lehnen. Über ihm zuckten Blitze über einer perlmuttartigen Kuppel durch den Gewitterhimmel.
»Was ist los?« Er musste schreien, damit seine Stimme durch den Lärm drang, der die Luft erfüllte.
Tanith drehte sich um und setzte sich neben ihn. Einige Strähnen ihres kupferfarbenen Haars waren dem Zopf entkommen und umflossen ihr Gesicht wie ein Strahlenkranz.
»Savin hat versucht, von innen Macht über deinen Geist auszuüben. Als er dich bei den Fünf Schwestern angegriffen hat, hat er etwas in deinem Kopf zurückgelassen, eine Saat seines eigenen Willens, damit er zurückkommen konnte, wann immer er wollte. Aber es ist uns gelungen, sie zu vernichten.«
»Und all das hier?« Er machte eine Handbewegung, die alles umfasste, auch den Lärm und den Rauch.
»Während ich in deinem Geist war, hat er das Kapitelhaus mithilfe von Dämonen angegriffen. Bisher hält der Schild, aber es sind Tausende von Gegnern.«
Fluchend kämpfte sich Gair auf die Beine und schaute über die Mauerbrüstung auf einen Alptraum. Dort wimmelte es nur so von schuppigen Körpern, die gegen eine unsichtbare Barriere drückten, die sich wie eine umgestülpte Glasschüssel über dem Kapitelbaus wölbte. Einige waren verbrannt; aus ihren Wunden trat eine gelbliche Flüssigkeit aus, die Schlieren auf der
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