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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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alles in mir mit einem Schlage verändert war. Erinnern Sie sich heute noch an Ihre ersten Küsse? Sie haben mein Leben beherrscht, meine Seele durchfurcht. Die Glut Ihres Blutes hat in meinem Glut entfacht. Ihre Jugend hat meine Jugend durchdrungen, Ihre Begierden haben sich einen Weg in mein Herz gebahnt. Als ich mich so stolz erhob, hatte ich eine Empfindung, für die ich in keiner Sprache einen Ausdruck weiß; denn die Kinder haben das Wort noch nicht gefunden, um die Vermählung des Lichts mit ihrem Auge, den Kuß des Lebens auf ihren Lippen zu schildern. Ja, es war der Ton, der ein Echo weckte, das Licht, das in Finsternis fiel, die Bewegung, die sich der Welt mitteilte. Es kam jedenfalls schnell, wie alle diese Dinge, aber es war viel schöner, denn es war das Leben der Seele! Ich verstand, daß es im Leben etwas mir Unbekanntes gäbe, eine Macht, die schöner sei als der Gedanke, die alle Gedanken, alle Kräfte zusammenfaßte. Ich ahnte eine zukünftige Welt in einer erwiderten Liebe. Ich fühlte mich nur noch halb als Mutter. Als der Blitz in mein Herz schlug, entzündete er Wünsche, die dort, mir unbewußt, geschlummert hatten. Ich erriet plötzlich, was meine Tante sagen wollte, wenn sie mich auf die Stirn küßte und ausrief: ›Arme Henriette!‹ Bei meiner Rückkehr nach Clochegourde redeten der Frühling, das erste Laub, der Duft der Blüten, die hübschen weißen Nelken, die Indre, der Himmel eine Sprache zu mir, die ich bis dahin nicht verstanden hatte und die meine Seele in Schwingungen versetzte, wie Sie meine Sinne bewegt hatten. Vielleicht haben Sie diese schrecklichen Küsse vergessen können, aber nie hat sich ihre Spur in meiner Erinnerung verwischt. Ich sterbe daran! Jedesmal, wenn ich Sie seither wiedersah, vertieften sich die Brandmale. Ich bebte am ganzen Körper bei Ihrem Anblick, ja bei der bloßen Ahnung, daß Sie kämen. Weder die Zeit noch mein starker Wille haben diese mächtige Wollust niederzukämpfen vermocht. Ich mußte mich unwillkürlich fragen: wie sehr wohl die Freuden beglücken? Die Blicke, die wir wechselten, die ehrfurchtsscheuen Küsse, die Sie auf meine Hand drückten, mein Arm, der sich auf den Ihren legte, Ihre Stimme mit ihren zärtlichen Rufen, kurz, die geringsten Dinge erregten mich so heftig, daß sich fast immer eine Wolke vor meine Augen lagerte: das Brausen der empörten Sinne hallte dann in meinen Ohren wider. Ach, wenn Sie mich dann in den Augenblicken, wo ich doppelt kalt war, in Ihre Arme geschlossen hätten, ich wäre vor Glück gestorben. Ich habe bisweilen gewünscht, Sie möchten gewalttätig sein, aber das Gebet verscheuchte schnell diesen sündigen Gedanken. Ihr Name, von meinen Kindern gesprochen, trieb mir wärmere Blutwellen zum Herzen und rötete meine Wangen; ich brachte meine arme Madeleine durch kleine Listen dazu, ihn auszusprechen, so lieb war mir diese prickelnde Empfindung. Was soll ich Ihnen nur sagen? Ihre Schrift hatte einen solchen Reiz für mich, ich sah Ihre Buchstaben an, wie man ein Porträt betrachtet. Da Sie schon am ersten Tage eine solche Macht über mich gewonnen hatten, werden Sie verstehen, lieber Freund, daß Ihr Einfluß unbegrenzt wurde, als es mir vergönnt war, in Ihrer Seele zu leben. Welche Wonnen überrieselten mich, als ich Sie so rein, so unbedingt wahr, zu allem Großen so fähig und schon so schwer geprüft fand! Mann und Kind, schüchtern und mutig! Welche Freude, als ich entdeckte, daß wir beide durch gemeinsame Leiden geheiligt seien! Seit jenem Abend, wo wir uns gegenseitig unser Innerstes gestanden, hieß Sie verlieren für mich soviel wie sterben. Darum hielt ich Sie bei mir fest. Die Gewißheit Monsieur de La Berges, daß Ihr Fernsein mir den Tod brächte, rührte ihn tief, denn er kannte mich. Er wußte, daß ich für meine Kinder und den Comte unentbehrlich sei, darum befahl er mir nicht, Ihnen mein Haus zu verbieten, denn ich versprach ihm, in Werken und Gedanken rein zu bleiben. ›Gedanken sind unwillkürlich‹, sagte er, ›aber man kann sie im Qualm noch lenken.‹ ›Wenn ich denke‹, habe ich ihm geantwortet, ›ist alles verloren; retten Sie mich vor mir selber! Machen Sie es möglich, daß er bei mir sei und ich unberührt bleibe.‹ Der gute Greis, der doch recht streng war, zeigte sich soviel ehrlichem Willen gegenüber nachsichtig. ›Sie dürfen ihn lieben, wie man einen Sohn liebt, indem Sie Ihre Tochter für ihn bestimmen‹, sagte er. Ich nahm mutig ein leidensreiches Leben auf mich,

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