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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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vornahm, die tut, als ob sie ihre Würde durch ein Geständnis aufs Spiel setzte. – An jenem Tage trug Madame de Mortsauf ein rosa Kleid mit vielen Streifen, eine Krause mit breitem Saum, einen schwarzen Gürtel und Schuhe von gleicher Farbe. Die Haare waren in einem einfachen Knoten gelegt und durch einen Schildpattkamm zusammengehalten.
    Dies ist die unvollkommene Skizze, die ich Ihnen versprach. Aber das stete Walten ihrer Güte unter den Ihrigen, diese wohltätige Ausstrahlung von Licht, so warm wie Sonnenglanz, ihr innerstes Wesen, ihr Verhalten in den glücklichen Stunden, ihre Resignation in den umwölkten: alle diese Wirbel des Lebens, wo der Charakter sich entfaltet, hängen wie Himmelserscheinungen von unerwarteten und flüchtigen Umständen ab, die nur in ihrer letzten Ursache wesensverwandt sind und deren Darstellung naturgemäß mit den Geschehnissen dieser Geschichte verflochten sein wird. Ein wahres Familiendrama, diese Geschichte – in den Augen des Weisen ebenso bedeutungsvoll, wie ein Trauerspiel es für die Menge ist –, deren Verlauf Sie fesseln wird durch den Anteil, den ich daran genommen habe, dann auch durch ihre Verwandtschaft mit so vielen Frauenschicksalen.
    Alles in Clochegourde trug den Stempel wahrhaft engländischer Sauberkeit. Das Zimmer, in dem die Comtesse sich aufhielt, war ganz mit Holz getäfelt und in zwei grauen Farbtönen gehalten. Den Kamin zierte eine Standuhr mit Mahagonigestell, das von einer Schale und zwei weißen goldgeäderten Porzellanvasen überragt war, in denen Heidekraut stak. Auf dem Sims stand eine Lampe, vor dem Kamin war ein Spieltisch. Zwei breite Baumwollstreifen rafften die weißen, unbefransten Leinenvorhänge der Fenster zusammen. Graue Möbelschoner mit grüner Tresse verhüllten die Sitze, und die Stickerei, die auf den Rahmen der Comtesse gespannt war, erklärte zur Genüge, weshalb ihre Möbel verdeckt waren. Diese Einfachheit grenzte an Größe. Von den Wohnungen, die ich später sah, hat keine in mir so fruchtbare, so reiche Empfindungen ausgelöst, wie sie mich in Clochegourde überwältigten, in dem Heim, das friedlich und andachtsvoll wie das Leben der Comtesse war und wo alles die klösterliche Regelmäßigkeit ihres Lebens spiegelte. Die meisten meiner Ideen, selbst die kühnsten, die ich mir über die Wissenschaft und die Politik bildete, haben dort ihre Heimat, sie gehören dorthin wie der Duft zu den Blumen. Dort gedieh die unbekannte Pflanze, die ihren befruchtenden Staub in meine Seele streute, dort strahlte die Sonne, die meine guten Eigenschaften reifte und die schlechten ausdörrte ... Vom Fenster aus umfaßte der Blick das ganze Tal, vom Hügel, den Pont-de-Ruan krönt, bis zum Schloß Azay, er konnte der Wellenlinie des gegenüberliegenden Höhenzuges mit den Türmen von Frapesle folgen, weiterhin kamen die, Kirche, der Flecken und Saché, das alte Schloß, dessen schwere Massen die Wiesen überragen. Diese Landschaft erfüllte das Herz mit ihrem Frieden. Sie war ruhig wie das Leben in diesem Hause und kannte keine andern Erregungen als die des Familienlebens. Wäre ich ihr dort zum erstenmal begegnet, dort beim Comte de Mortsauf und ihren beiden Kindern, statt sie in ihrem herrlichen Ballkleid zu sehen, so hätte ich ihr wahrscheinlich den trunkenen Kuß nicht geraubt, der mir jetzt Gewissensbisse verursachte, weil er mir jede Aussicht auf Erwiderung meiner Liebe zu nehmen schien. Nein, in den trüben Stimmungen, in die mich mein Unglück stürzte, wäre ich vor ihr niedergekniet, hätte ihren Schuh geküßt, hätte ihn mit meinen Tränen benetzt und wäre dann gegangen, mich in die Indre zu stürzen. Aber seit meine Lippen ihre wie Jasmin so frische Haut berührt und die Milch aus dieser Liebesschale geschlürft hatten, war ich von Sehnsucht und der Hoffnung auf menschliche Wollust besessen, ich wollte leben und die Stunde des Genusses erwarten, wie der Wilde lauernd auf die Stunde der Rache harrt. Ich wollte mich im Geäst der Bäume verkriechen, durch die Weinberge schleichen, mich in die Indre betten. Ich wollte mich mit der Stille der Nacht, dem Lebensüberdruß, der Sonnenglut verschwören, um die wonnige Frucht zu Ende zu genießen, in die ich einmal gebissen hatte. Hätte sie von mir die singende Wunderblume, die vergrabenen Schätze ›Morgans, des Vernichters‹ gefordert, ich hätte sie ihr gebracht, um in den Besitz der sichern Schätze und der stummen Blüte zu gelangen, nach denen ich mich verzehrte. Als der Traum

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