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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Ideen erklären, als er sah, wie Regina hinter dem Rücken der Kuratorin schnell den Finger auf ihre Lippen legte. Er verstand. Regina wandte sich mit der größten ihr zur Verfügung stehenden Freundlichkeit der Kunsthistorikerin zu.
    »Dürfen wir Sie zu einem kleinen Mittagessen in der Cafeteria im Kunsthistorischen Museum gegenüber einladen? Wir würden gern noch ein paar Fragen mit Ihnen erörtern.«
    Setner nickte erhaben.
    Das Café lag im ersten Stock des Museums. Man gelangte unter einem gewaltigen Deckengemälde auf einer imposanten Marmortreppe hinauf. Wollte man dann zu den alten niederländischen Meistern oder den großformatigen Tintorettos, musste man den Duft von Kaffee und Rindssuppe mit in die Räume hineinnehmen. Die Schulklassen waren verschwunden und Touristen in diesen Zeiten ein seltene Erscheinung. Das Personal hatte sich unter einem Fernseher, der oberhalb der Theke installiert worden war, versammelt und verfolgte kommentierend die Nachrichten. Faruk, der die Toilette aufsuchen musste, blieb ebenfalls davor stehen. Währenddessen machte ein Kellner im schwarzen Frack und mit einem abweisend arroganten Gesichtsausdruck die Frauen auf das schmale Angebot an Kuchenstücken aufmerksam. Als er Setner erkannte, wurde er merklich freundlicher. Regina betrachtete die Kuratorin interessiert. Sie war klein, reichte ihr gerade bis zu den Schultern. Die grünen wachen Augen beobachteten schnell und nahmen Veränderungen im Raum sofort wahr. Die Haut war, wie bei vielen Rothaarigen, weiß. Kleine braune Flecken auf der Hand zeugten von ihrem Alter. Friedhofsblumen nannte man dies hier in Wien, dachte Regina. Faruk war mittlerweile zurückgekehrt und hatte sich mit besorgtem Gesicht wieder gesetzt. Regina sah ihn fragend an, aber Faruk schüttelte nur ganz leicht den Kopf.
    Regina wandte sich an Setner: »Können Sie uns ein paar Hintergrundinformationen über Bosch geben? Er scheint ja nicht nur ein Maler gewesen zu sein, wenn sich sogar eine Sekte nach ihm benennt.«
    Setner griff in ihre Handtasche und nahm eine Mappe heraus, die mit Plastikfolien gefüllt war. »Hieronymus Bosch wurde als Sohn einer Malerfamilie um das Jahr 1450 in ’s-Hertogenbosch geboren. Sein richtiger Name lautete Jeroen oder lateinisch Hieronymus van Aken. Über sein Leben ist wenig bekannt. Er stammt aus einer Malerfamilie und hat vermutlich in der Werkstatt seines Vaters das Kunsthandwerk gelernt. Wie damals üblich übernahm Hieronymus van Aken den Namen seiner Geburtsstadt für seine Signatur und wurde bekannt als Hieronymus Bosch. Im Jahr 1478 heiratete er die wohlhabende Aleyt Goyaert van de Mervenne, wodurch er ein unabhängiges Leben führen konnte. In seiner Geburtsstadt gehörte er der Bruderschaft ›Unserer Lieben Frau‹ an. Er reiste vermutlich nur einmal nach Venedig und wurde von der dort bereits in Blüte stehenden Renaissance-Malerei kaum beeinflusst. Vielmehr schien er dort Kontakt zu einer Sekte bekommen zu haben, den Katharern oder den Manichäern. Aber darüber streitet sich die Kunstwelt. Mit seinen Visionen, seinen Gewaltphantasien, seinen bösartigen, aber auch witzigen Figuren ist er einzigartig in der Malerei seiner Zeit.«
    Am Nachbartisch schob eine junge Mutter ihren von Flecken übersäten Pullover hoch, zog den fleischfarbenen BH darunter hoch, griff nach ihrer Brust und stillte unbekümmert ihr Baby.
    Faruk sah angewidert weg und lenkte sich mit einer Frage ab: »Soll er dort nicht auch Leonardo da Vinci getroffen haben?«
    Setner, ebenfalls von dieser abrupten Konfrontation mit mütterlicher Fürsorge eher abgestoßen, antwortete geistesabwesend: »Es gibt kaum Hinweise darauf. In Boschs Werken schon gar nicht. Nur eine Legende besagt, dass er vom damaligen Dogen, also dem gewählten Oberhaupt der Stadt Venedig, gejagt wurde. Er wurde als Dieb oder Schmuggler gesucht. Wenige Jahre später, unter der Herrschaft eines anderen Dogen, wurde die Anklage fallengelassen. Da war Bosch vermutlich aber schon gestorben.«
    Die Mutter neben ihnen schloss beseelt die Augen, während ihr Baby mit ernstem Gesicht an der weißen, vollen Brust saugte.
    Regina wollte auf die Visionen zu sprechen kommen. »Glauben Sie, dass er prophetische Kräfte besaß?«
    Setner dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, versetzen wir uns in seine Zeit. Er malt, was er sieht und was er glaubt. Das Elend, die Gewalt, die so oft in vielfacher Weise in seinen Werken zum Vorschein kommt, ist surrealer

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