Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Faruk, geh nicht allein aus dem Haus. Ich will dich nicht verlieren.«
Trotz des stechenden Schmerzes in seinem Gesicht sah er sie verblüfft an.
»Ich kann so eine Aktion nicht allein durchziehen«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Aber dass ein Russe dich rettet, ist schon ungewöhnlich. Sie sind in dieser Stadt nicht gerade für ihre Hilfsbereitschaft bekannt.«
»Keine Ahnung, ob es wirklich ein Russe war. Aber er wirkte so auf mich.«
Sie tätschelte seine Wange. »Egal, Hauptsache, du bist gesund.«
Zu Faruks Erleichterung drehte sie sich um und konnte die Röte in seinem Gesicht nicht sehen.
»Ich muss dir was zeigen.« Sie hielt ihm das Display ihres Handys vor die Nase. Er nahm ihre Hand, drückte sie etwas weiter weg und versuchte, die Zeilen zu lesen.
»Geht zum Bild, sucht SIE. SIE ist gut zu euch, nehmt euch bei der Hand, und sie wird euch in die Hölle begleiten. Vertraut ihr. PS. Ich lebe. A!«
Faruk rieb sich die Augen. »Meinst du, dass Almut das geschrieben hat? Es könnte auch eine Falle sein. Vor allem: Wer ist SIE ?«
»Schauen wir mal«, rief Regina und setzte sich eine ziemlich dämlich aussehende Mütze auf den Kopf.
Selbst der kurze Fußmarsch hinunter zur Akademie derKünste war eine Qual. Die Kälte biss in ihre Haut, und so stapften sie die wenigen hundert Meter schweigend. Die Gemäldegalerie in der Akademie war ein typisch österreichischer Sonderfall. Nur wenige Meter von der großen Gemäldesammlung des Kunsthistorischen Museums entfernt war die kleine Galerie im ersten Stock der Akademie untergebracht. Und so mussten die Besucher an den etwas heruntergekommenen Uniräumen vorbeilaufen, um zu den Meisterwerken zu gelangen.
»Hitler war hier!«
Faruk sah entgeistert in Reginas Gesicht, das von einer roten Fellmütze mit langen Pelzohren umrahmt war. Trotz der Kälte zündete sie sich direkt vor dem Eingang eine Zigarette an. Er schüttelte missmutig den Kopf, blieb aber aus reiner Höflichkeit neben ihr stehen.
»Nein, wirklich. Hitler hat sich, bevor er nach Deutschland ging, hier als Kunststudent beworben. Sie haben ihn nicht genommen. Das war genau hier.«
Faruk verstand. »Komm, lass uns hineingehen. Der Mann ist tot und taucht zu häufig bei den Deutschen wieder auf.«
Sie stiegen eine breite Treppe hinauf und staunten über die reich verzierten Deckenmalereien. Faruk wollte nicht glauben, dass man hier junge Menschen studieren ließ. Eine zierliche kleine Frau huschte mit laut klackernden Absätzen an ihnen vorbei. Als sie den obersten Absatz der Treppe erreicht hatte, sah sie mit einem kurzen Blick auf die beiden Besucher herab, ehe sie ihr Klackern fortsetzte. Der Saal mit den Gemälden roch nach frisch verlegtem Parkett und neuer Farbe.
»Ihr« Bild hing im letzten Raum. Eine lärmende Schulklasse, der sie schon am Eingang begegnet waren, tummelte sich gelangweilt in dem mit rotem Samt bespannten Raum und ignorierte das perfekt ausgeleuchtete Altarbild. Es war, wie Poch es schon gezeigt hatte, in drei Tafeln aufgeteilt. Links sah man eine Szene aus dem Paradies. Die Mitteltafel war deutlich größer. Sie war fast drei Meter hoch und anderthalb Meter breit. Hier sah man gequälte, aber sündige Menschen, die inmitten von brennenden Ruinen ohne Tageslicht ihrem Ende entgegengingen. Die rechteTafel zeigte die Hölle mit all ihren schrecklichen Dämonen und den Qualen, die die Verdammten dort erlitten. Je länger man darauf starrte, desto tiefer drang man ein in die geniale, aber brutale Gedankenwelt eines gequälten Künstlers. Faruk war wie Regina fasziniert, aber der Krach und die Unruhe um sie herum störte sie. Einige Schüler spielten mit ihrem Mundschutz, zogen anderen das weiße Tuch vom Gesicht und rannten damit im Saal herum.
»Wir müssen näher an das Bild heran, von hier erkenne ich gar nichts«, flüsterte Regina.
Faruk schlängelte sich an den kaugummikauenden und mit ihren Handys spielenden Schülern vorbei. Der Lärm und das Desinteresse der Jungen und Mädchen waren fast nicht zu ertragen. Regina bemerkte im Eingang wieder die kleine rothaarige Frau, die sie erneut mit einem durchdringenden Blick ansah. Regina erwiderte fragend den Blick. Die Frau schaute zu der überforderten Lehrerin der Schüler, nickte kurz mit dem Kopf zum nächsten Raum, und tatsächlich trieb diese die Schüler in beachtlicher Geschwindigkeit weiter. Die Rothaarige schloss die Flügeltür, und mit einem Mal kehrte Stille in den Raum ein. Regina glaubte, dass der Saal
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