Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Rhön.«
Faruk meldete sich. »Gut, seht euch um. Wir fahren heuteNachmittag nach Rohrbrunn und suchen diese Frau, die Ezechiel instrumentalisiert hat. Diese Kunstexpertin will auch mitkommen. Passt auf euch auf.«
Es raschelte, Faruk reichte den Hörer wohl an Regina weiter, und Elijah gab sein Gerät an Jan. Dann stieg Elijah aus dem Auto in die Kälte und zündete sich eine Zigarette an, um die beiden ungestört miteinander reden zu lassen.
Jan begann. »Regina, die Kleine ist bei mir, aber es war furchtbar. Es war die Hölle … ich bin unglücklich, wenn du nicht an meiner Seite bist. Es war eine blöde Idee, dich gehen zu lassen.«
Er hörte in die Stille hinein. »Ich weiß, du fehlst mir auch, Jan. Wenn ihr in Deutschland fertig seid, treffen wir uns wieder. Sei vorsichtig.«
Ehe er etwas erwidern konnte, hatte sie bereits aufgelegt.
Sie umrundeten den Konvoi und stellten sich brav in die Reihe der Wartenden. Auf Bahren, provisorischen Tragen und in Rollstühlen brachten Angehörige die pockenkranken Menschen an die Absperrungen. Hier entschieden Sektenmitglieder, wer zur Prophetin vorgelassen wurde. Weinen, Wimmern und lautes Schreien mischten sich mit der feierlichen Musik Bachs und machten die Szene noch surrealer.
Jan beugte sich zu Elijah vor. »Dir ist doch klar, dass es wenig Sinn ergibt, um Hilfe zu bitten, wenn man keine Pocken hat.«
»Du bist zu negativ. Warte es ab.«
Jan schüttelte den Kopf und sah sich um. Die Menschen hatten nur noch ein Ziel. Sie wollten die Prophetin sehen. Und doch lag in diesem absurden Theater etwas Beruhigendes. Einige schienen sich auch mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben. Nachdem sie von den Sektierern abgelehnt wurden, machten sie stumm kehrt oder legten sich in die Ackerfurchen. Keiner hinderte sie daran. Dort starben sie still.
Plötzlich zuckte Jan zusammen. Das konnte nicht sein. Er musste sich täuschen. Die Frau, die da oben mit verschränkten Armen auf einer provisorischen Bühne stand, kannte er. Es war seine Exfrau!
»Bist du dir sicher?« Elijah sah nach vorn auf den Vordermann. Sie standen in einer fast 30 Meter langen Menschenschlange. Jan hatte ihm leise seine Entdeckung ins Ohr geflüstert. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich war fast zehn Jahre mit dieser Frau verheiratet. Natürlich ist sie das.«
Die Frau trug einen langen Lodenmantel und war von mehreren Männern umringt, denen sie anscheinend Anweisungen gab. Sie hatte noch nicht zu ihm hingesehen.
»Und was macht sie ausgerechnet hier?«
»Keine Ahnung, sie scheint dieser Sekte … Also … sie ist über den Tod unseres Sohnes nie hinweggekommen …«
Jan stockte. Das konnte doch nicht wahr sein. Für so einen Mumpitz hier war Andrea viel zu intelligent. Sie war Akademikerin und hatte sich wie er der Logik und der Aufklärung verschrieben. Aber ihr Fachgebiet war nun einmal der Künstler Hieronymus Bosch. Er erinnerte sich an die verwüstete Wohnung, an die Prospekte der Sekte auf dem Boden. Ergab das alles einen monströsen Sinn? Hatte der Unfall vor zwei Jahren sie so sehr verändert? Nach der Beerdigung hatte sie ihn nicht mehr ertragen können und aus der gemeinsamen Münchener Wohnung geworfen. Ihr Bruder Stefan hatte sie aufgehetzt. Ihr Bruder, dessen Leiche gerade in irgendeiner Müllverbrennungsanlage zu Asche wurde.
Jans Gedanken gingen zurück zur Zeit der Trauer. Einem harten Schwinger gleich schlug ihn die Erinnerung in den Kopf. Der Sommer, als sein Sohn mit ihm in den Eisbach sprang. Wie der Sog ihn hinabzog. Wie er seine Augen aufriss. Wie Jan die Gewissheit des Todes im Gesicht seines Sohnes sah. Das entsetzte, von Schmerz, Wut und Trauer verzerrte Gesicht seiner Frau am Grab des Sohnes. Die harten, vorwurfsvollen Blicke der Verwandten. Lange hatte Jan sich von dem Chaos seiner Vergangenheit abgeschottet. Aber jetzt stieg es wieder in ihm auf. Tränen füllten seine Augen. Sie brannten. Er wischte sie verstohlen von seiner Wange.
Seine Exfrau stieg in einen Geländewagen und verließ den Acker. Er blickte ihr nach, sah, wie der Wagen über die Anhöhezur Siedlung mehr holperte als fuhr und dann hinter einem massiven Eisentor verschwand. Elijah hatte sich kurz zu ihm nach hinten gedreht, die Tränen gesehen, sich dann aber rasch wieder nach vorn gewandt. Er wusste von Jans Schicksal. Aber in der Ausbildung beim israelischen Geheimdienst war ihm wie mit einer heißen Fackel das Mitgefühl abtrainiert worden. Es behinderte nur die Einsätze. So schwieg er und
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