Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Drei Tage mussten wir warten – in diesem Campingwagen auf dem Parkplatz eines stillgelegten Kernkraftwerkes. Dann schickte sie jemanden zu uns. Sie hörte zu, sah ihn und bezeichnete ihn als geheilt. Aber natürlich half das nicht. Als Theologe hätte ich es besser wissen müssen. Doch die Sorge um mein Kind ließ mich erblinden. Meine Wut auf mich selbst trieb mich fast in den Freitod. Mein Sohn rettete mich …« Er stockte. Stille breitete sich in dem engen stinkenden Raum aus. Nur das Wasser im Kocher blubberte. »… das war vor zwölf Wochen.«
Er machte wieder eine Pause und nahm zwei schnelle Schlucke aus seiner Tasse, ehe er fortfuhr. »Als wir die Bilder von der Epidemie sahen, dachten wir, dass wir hier helfen müssten, die Enttäuschten trösten und die Hoffenden warnen sollten. So kamen wir hierher.«
Jan war erstaunt. Der Pfarrer war kein Anhänger, vielmehr wollte er der Scharlatanerie etwas entgegensetzen. Vielleicht konnte er ihnen weiterhelfen.
Elijah sah aus den Augenwinkeln, wie der Sohn heimlich seinen Arm an der Spüle rieb. Der Alte folgte seinem Blick. Schnell lenkte Elijah ihn mit einer Frage ab.
»Was ist das hier für ein Platz? Wissen Sie, warum diese Birghid hierherkam?«
Albers zog lange den Atem ein, ehe er eine Antwort gab. »Offiziell ist das da oben die Waldsiedlung. Die Einheimischen nennen es nur die ›Muna‹. Es ist eine Verballhornung ihrer einstigenBestimmung. Die Nazis legten hier im Zweiten Weltkrieg mitten im Wald ein gigantisches Munitionslager für Fliegerbomben an. Sie tarnten es so gut, dass nicht ein Luftangriff der Alliierten die Anlage traf. Die Häuser dort wurden für die Wachmannschaften und Offiziere gebaut. Überall legten sie unterirdische Bunkersysteme an. Es sollen fast 150 Hektar sein. Später nutzten es die Amerikaner, dann fiel es an den Staat, und der verkaufte es an diese Sekte. Auch die Äcker, auf denen wir hier stehen, sowie die Wälder gehören der Gemeinschaft. Sie sind weitgehend autonom. Ein befreundeter Pfarrer aus Schweinfurt, der uns ein paar Tage bei sich übernachten ließ, erzählte es mir. Über Jahre haben sie Nahrung und Treibstoff auf das Gelände geschafft. Sie sind dank eines ausgeklügelten Wirtschaftssystems sehr vermögend und gelten dank ihrer Sanatorien, Biobauernhöfe, Werkstätten und anderer Sozialeinrichtungen als wichtiger Wirtschaftsfaktor in dieser strukturschwachen Gegend.«
Jan schüttelte den Kopf. »Ich kann das gar nicht verstehen, davon war nie etwas bekannt in Deutschland. Das ist doch nicht Scientology!«
Pfarrer Albers grunzte verächtlich. »Seit dem Niedergang der etablierten Kirchen haben sich in unserem Land in der Grauzone der Esoterik und der Fundamentalchristen einige sogenannte ›Neukirchen‹ gegründet. Sie ähneln ein wenig den kirchlichen Splittergruppen in den USA und Brasilien. Aber keine hatte eine echte Prophetin vorzuweisen. Ein Alleinstellungsmerkmal sozusagen.«
Elijah mischte sich ein. »Aber dazu müssen ihre Vorhersagen doch stimmen, sonst ist der Spuk doch bald vorbei.«
Wieder nickte Albers. »Sie hat tatsächlich einige richtige Prophezeiungen ausgesprochen. Aber vielleicht war das Zufall. Ihre ›Heilungen‹ sind medizinisch kaum nachweisbar. Aber was dem einen Lourdes und Fatima ist, das ist dem anderen eben eine Näherin namens Birghid. So einfach kann Glauben sein. Sie soll im Besitz eines heilenden und helfenden Werkes sein. Ein Altarbild, sagt man. Ich habe es nie gesehen und bezweifle auch die Echtheit eines solchen Werkes.«
Jan war wie elektrisiert. Aber ein Blick zu Elijah genügte, der ihn stumm, nur mit einem Stirnrunzeln, warnte. Also lenkte Jan ab.
»Was sind das für Namen, die Sie da eben nannten? Ezechiel, Hieronymus? Die kommen mir bekannt vor.«
Stolz trat in das Gesicht des Geistlichen. »Der Erste war der Prophet Ezechiel. So steht es im Alten Testament. Ein Priester der Juden. Er hat in die Zukunft sehen können. Sein Werk verstanden und verstehen angeblich nur die wenigsten. Juden ist es erst ab dem 30. Lebensjahr gestattet, die Prophezeiungen zu lesen und zu deuten. Mani ist …«
Plötzlich erklang Sirenengeheul von draußen. Jan schob eine der Gardinen beiseite und blickte hinaus. Draußen auf dem Feld kam Bewegung in die Menschenmenge. Ein kleiner Weg führte durch die Ackerlandschaft. Wie auf ein geheimes Kommando hin erhoben sich die Menschen, krochen aus ihren Zelten und Erdlöchern, stießen die Wagentüren ihrer Campingwagen auf und strömten
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