Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
Vom Netzwerk:
starrte auf die Menschen vor ihm. Jan war sein Freund, soweit man als Jude einen Deutschen zum Freund haben konnte. Ihn leiden zu sehen, schmerzte auch Elijah. Aber er war im Einsatz. Hier durfte nichts emotional betrachtet werden. Die Epidemie musste gestoppt, die Hintermänner identifiziert und ausgeschaltet werden. Wie ein Mantra hatte er sich das auf dem Weg hierhin immer wieder still gesagt. Wieder einmal wurde sein Land angegriffen. Jemand wollte den Ausbruch dieser Krankheit dem Staat Israel oder zumindest den Juden in die Schuhe schieben. Und wieder einmal ging es von Deutschland aus. Jedes Gefühl konnte die eigene Urteilskraft schwächen. Er sah zu Jan.
    »Wir bleiben heute Nacht hier draußen. Ich will mich noch ein wenig umsehen. Morgen gehen wir mit.«
    Jan sah ihn missmutig an. »Und wo schlafen wir? Etwa beim Pfaffen?«
    »Ja, gute Idee. Näher an Gott, sagt ihr doch immer, oder?«
    Am nächsten Morgen hatten sie sich aus ihren Thermoschlafsäcken geschält, still einen von dem Sohn des Pfarrers aufgebrühten Tee getrunken und hinunter zur Straße gesehen. Der Auftritt der Sektenmitglieder hatte sich wiederholt. Elijah hatte das Equipment in dem ihm schon vertrauten Autowrack versteckt und stapfte mit Jan zu der Menschenmenge.
    »Warum wollen Sie das Licht sehen, wenn Sie nicht krank sind?«
    Der Typ hatte sie gleich wieder wegschicken wollen. Er war untersetzt, sein Gesicht von groben Aknenarben verunstaltet. Wie alle Sicherheitsleute der Sekte trug er einen weißen Schneeanzug. Keiner von ihnen schien Angst zu haben, sich anzustecken.Niemand hatte einen Mundschutz. Sie waren sich der Wirkung ihres Glaubens wohl sehr sicher.
    »Also, Sie sind nicht erkrankt. Dann treten Sie bitte beiseite und lassen anderen den Vortritt, die wirklich in Not sind. Aber selbstverständlich dürfen Sie sich dort drüben ein Verpflegungspaket nehmen.«
    Elijah suchte fieberhaft nach einer Lüge. »Aber unsere Krankheit ist viel tiefgehender, unsere Sünden schwerer.«
    Der kleine Dicke sah ihn leicht genervt an. »So? Was meinen Sie denn damit?«
    Elijah legte seine Hand auf Jans Schultern. »Nun, wir sind der Sünde der gleichgeschlechtlichen …«
    Der Dicke hob eine Hand und legte die andere an sein Ohr. Anscheinend sprach jemand in sein Headset. Er nickte, und Jan meinte, den Anflug eines boshaften Lächelns auf seinem Gesicht gesehen zu haben. Dann sah er die beiden freundlich an und wies sie mit einem »Sie fahren mit« zum Bus mit den Angehörigen, während die Kranken auf die Ladeflächen der LKW gehievt wurden.
    Die Siedlung war einem Dreieck gleich in den Wald hineingebaut worden. Zur Straße hin, die die Bundesstraße mit dem kleinen Ort Rottershausen verband, zog sich ein drei Meter hoher und blickdichter Zaun mit NATO -Stacheldraht auf seiner Krone um das Gelände. Der Bus fuhr im Schritttempo durch das Tor an der südlichen Ecke des Dreiecks. Eine ganz andere Welt tat sich auf. Kinder spielten im Schnee, Mütter standen zusammen und lachten. Männer hackten Holz oder saßen an einem Feuer zusammen und redeten einträchtig miteinander. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Jan, dass jeder der Männer ein Schnellfeuergewehr neben sich bereithielt. Und selbst die Frauen trugen Gewehre auf ihrem Rücken. In den USA war das sicher ein gewohntes Bild. Unwillkürlich dachte Jan an die Davidianer-Sekte, die in den 90ern in Texas nach mehreren Wochen Belagerung durch die Polizei in einer wilden Erstürmung untergegangen war. Aber das war in Deutschland unvorstellbar. Nur in dem rechtsfreien Raum dieser Epidemie konnteso etwas ungestraft passieren. Womit rechneten diese Menschen wohl?
    Sie wurden aus dem Bus in einen Vorraum geführt. Links und rechts von einem großen Eisentor wachten zwei fast zehn Meter hohe geflügelte Fabelwesen, geschnitzt aus dunklem Holz. Links war es ein Tier mit menschlichem Gesicht, das große, sehr fein herausgearbeitete Schwingen schützend vor seinem Leib hielt. Rechts war ein Wesen dargestellt, das scheinbar nur aus Flügeln bestand.
    »Cherub und Seraph – die Erzengel Gottes«, flüsterte Jan leise zu Elijah, der kopfschüttelnd zu den Kunstwerken emporblickte.
    Dann öffneten sich die Eisentüren, und sie wurden in einem Spalier aus lächelnden Menschen in weißen Leinengewändern in eine fast 20 Meter hohe und bestimmt 80 Meter lange Halle geführt. Sie konnten noch letzte Reste von Öl und Metall riechen, aber Düfte von Weihrauch überlagerten den alten Geruch immer stärker, je

Weitere Kostenlose Bücher