Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
Vom Netzwerk:
geklärt. Dort fanden wir Personal und Technik vor, die zur Vervielfältigung von Virenstämmen eingesetzt wurden. Der Leiter ist uns bekannt, aber flüchtig. Darüber hinaus hat ein Pockenpatient in einem Münchener Krankenhaus kurz vor seinem Tod dahin gehende Aussagen gemacht. Die Sekte hätte ihn geschickt.«
    Die Kanzlerin zog die Augenbrauen hoch. Das war ihr zu dünn.
    Jetzt musste er nachlegen. »Zur Stunde planen sie weitere Aktionen. Diesen Hinweis hat uns ein Informant aus dem engsten Kreis der Gruppe unter sehr schwierigen Umständen zukommen lassen.«
    Die Kanzlerin blieb noch ungerührt. »Welche Art von Aktionen sollen das sein?«
    »Sie wollen von ihrem Hauptquartier aus eine Pilgerreise mit ihren Anhängern nach Berlin initiieren. Schon jetzt kampieren Tausende bei ihnen. Ihre vermeintliche Heilkraft treibt die Menschen aus allen Teilen des Landes dorthin. Obwohl es kaum noch Kommunikationsmöglichkeiten gibt, verbreitet sich die Botschaft der Prophetin wie ein Lauffeuer. Schon jetzt brechen Menschen in Scharen aus den Internierungslagern aus.«
    Die Kanzlerin knabberte ungeniert an ihren Fingernägeln. Der Stress beherrschte sie jetzt. »Was raten Sie?«
    Missfeld sog die stickige Luft des Konferenzraumes ein. Er nickte dem General zu. »Hier sind unsere Pläne. Schnell, robust und konsequent.«
    Die Kanzlerin sah das erste Blatt, las aufmerksam und schnell. Dann blickte sie beide entgeistert an: »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

Rottershausen, Deutschland, 23. 12., 00.31 Uhr
    Jan Kistermann war nicht gläubig. Obwohl er im katholischen Südwestniedersachsen aufgewachsen war, hatte er nie den Zugang zur Kirche oder zum Glauben allgemein gefunden. Man wurde geboren, lebte und starb. So hatte sein Dogma immer gelautet, wenn im Ärztekreis die Sprache darauf kam. Die letzten Tage des Schreckens aber schienen ihn verändert zu haben. Alles war aus den Fugen geraten. Der Weg hier in die Einöde der bayerischen Rhön hatte ihm erstaunliche Erkenntnisse geschenkt. Blanken Hass und Gier hatte er gesehen. Teilnahmslose, jeden Befehl blind ausführende Menschen, die für das eigene Überleben zu allem bereit waren. Aber auch Menschen, die ihm unerwartet und ohne Grund geholfen hatten. Und Leute, die damit etwas verbanden, wie eben diese Sekte.
    Jan musste auf die Toilette. Der versprochene »bunte Abend« verdiente seinen Namen lediglich wegen der Anwesenheit des Afrikaners. Die Musik, das Essen, das Gerede über Himmel und Hölle, Sünde und Versuchung war ein einziger kopfschmerzerzeugender Grauton. Er hatte den dünnen roten Tee literweise getrunken, so dass seine Blase binnen kürzester Zeit zu platzen drohte. Also musste er die Prophetin wie ein Schuljunge bitten, austreten zu dürfen, und die hatte nur müde genickt. So war er kurz vor die Tür gegangen und atmete gierig die kalte Luft ein. Er stand im Windschatten eines Nachbargebäudes und sah in den sternenklaren, unfassbar kalten Nachthimmel, während er sich in einen Schneehaufen erleichterte. Er musste Regina wiedersehen, egal wie, dachte er, als er über sich das Geräusch einessich öffnenden Fensters vernahm. Er drückte sich an die Wand und sah hinüber zum Wald, der das Gelände zum größten Teil einrahmte. Der Komplex war auf einem Hügelrücken angelegt worden, der Wald fiel zum Osten hin teilweise stark ab. Tannen und Buchen mit schweren Schneeplatten im Geäst waren im gelben Licht der Straßenlaternen zu erkennen. Etwas irritierte Jan. Ihm schien, als ob ihn jemand beobachten würde. Er nahm eine kurze Bewegung in einem Baum nicht weit von ihm entfernt wahr. Eine Eule? Schnee fiel von einem höhergelegenen Ast. Wieder eine Bewegung. Das Tier musste größer sein als ein Vogel. Jan zwängte sich in den Versorgungsspalt eines Kamins. Heizungsrohre führten aus dem Keller auf das in knapp 15 Meter Höhe befindliche Dach. Er klemmte seine Füße zwischen Rohr und Wand und zog sich dann leise Stück für Stück hoch. Als Jugendlicher hatte er so etwas Dutzende Male an öffentlichen Gebäuden gemacht, um mit Freunden ungestört auf den Dächern zu kiffen und Musik zu hören. Wenige Sekunden später erreichte er das Dach, hangelte sich hinauf, legte sich flach auf den Schnee, der die Teerplatten bedeckte, und sah erneut hinüber in den Wald. Das Licht der Laternen lenkte hier oben nicht mehr ab. Und mit einem Mal erkannte er sie. In den Bäumen hockten keine Raubtiere. Dort saßen Menschen mit Stahlhelmen, Nachtsichtbrillen und –

Weitere Kostenlose Bücher