Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
saß ganz dicht neben ihm, keiner sah es, aber unter dem Tisch berührte ein Finger seine Hand. Er schaute zu ihr, doch sie blickte starr nach vorn und sang mit Inbrunst. Nach einigen Minuten, die Elijah endlos erschienen, beendete die Gruppe das Singen. Das Essen wurde hereingebracht. Die Menschen aßen still, keiner erhob das Wort.
Jetzt war es so weit. Jan griff hinter Andrea, wollte Elijah anstoßen, um ihm ein Zeichen zu geben. Nur das metallische Geräusch der Messer und Gabeln war zu hören. Jemand schlürfte. Niemand sprach. Bis auf Elijah.
»Frau Prophetin, ich hätte da eine Frage.«
Alle sahen auf, Entrüstung und Angst stand in ihren Gesichtern. Es war wohl nicht korrekt, die Heilerin direkt anzusprechen. Jan zog seinen Arm zurück, alle blickten in seine Richtung.
Prompt antwortete ein älterer Herr: »Herr Elijah, es ist nicht erlaubt, sie einfach anzusprechen. Essen Sie, und antworten Sie nur, wenn Sie gefragt werden.«
Wie eine satte Katze drehte die Angesprochene mit geschlossenen Augen den Kopf. Leise kamen die Worte aus ihrem Mund. »Danke, Herr Stefan. Aber lassen wir unseren Gast heute ruhig sprechen. Fragen Sie.«
Elijah nickte und lächelte dankbar. »An was genau glauben Sie? Ich meine, Sie glauben ja nicht an einen Künstler, oder?«
»Nein, das tun wir nicht. Wir glauben an das Eingehen in das Licht. Das Licht ist unser Ziel. Es ist ein Glaube, der lange verschüttet war. Verschüttet unter den Trümmern des Wohlstandes, des Intellekts und der Jahrtausende.«
Elijah schaute die Prophetin unverwandt an. »Und wie erreichen Sie das?«
»Nun, der Mensch versuchte in den letzten Jahrhunderten alles verstandesmäßig zu erfassen. Darüber vergaßen wir all die Gesetze, die das Leben in seinem Inneren zusammenhalten. Einst waren die Menschen intuitiv mit der Welt im Einklang. Sie erlebten das Zyklische als Urerfahrung. Tag und Nacht, die Wege der Sterne, aber auch die Jahreszeiten bestimmten ihr Dasein. Heute treten wir die Natur mit Füßen, stehen dem Wunder der Vegetation verächtlich gegenüber. Die Menschen glauben, Zeit und Raum zu beherrschen …«
»Na schön«, dachte sich Jan, »das ist das übliche Öko-Esoterik-Gewäsch, das sich in Deutschland seit den Gründungstagen der GRÜNEN immer weiter verbreitete und mit dem Hype um den Klimawandel noch mehr Nahrung erhielt.«
»… und dann kommt der Tod. Dann ist der Mensch wieder bei den existentiellen Fragen. Nicht wahr, Herr Jan? Sie kennen das doch aus eigener Erfahrung.«
Wie ertappt zuckte Jan zusammen. »Ja, der Tod ist dem Mediziner ein ständiger Begleiter«, antwortete er ungewöhnlich gestelzt.
Elijah sah ihn mit einem Stirnrunzeln an.
»Aber nein, ich rede vom Tod Ihres Kindes. Dem Kind, das vor Ihren Augen ertrank. Dem Kind, dessen Lungen sich füllten, obwohl Sie nur eine Handbreit entfernt waren. Dem Kind, das mit entsetzten Augen seinen Vater ansah, ehe seine Seele sich verabschiedete …«
Jan erstarrte, suchte in den Gedanken, die in seinem Kopf herumschwirrten, nach Wut und Zorn. Etwas, was ihn aus der Erstarrung lösen konnte.
»Und dort, Herr Jan, erschien Ihrem Kind das Licht. Durch die Massen des Wassers steigt die Seele empor zu den Sphären der Sterne. Aber dort muss sie sich entscheiden. Wird die Seele dem Licht, das Wahrheit und Leben schenkt, entgegengehen oder der Lüge, die in der todbringenden Finsternis liegt? Sie haben es in der Hand, Herr Jan. Ihre Lüge hält die Seele fern von Licht und Wahrheit.«
Elijah sah Jan durchdringend an. Er spürte, wie der Arzt innerlich kochte. Leise flüsterte er ihm beschwichtigend zu: »Bleib ruhig, sie will dich nur provozieren. Zeig ihr deine Wut nicht.«
Birghid schien nicht aufhören zu wollen. »Jetzt steigt der Zorn in Ihnen hoch«, stichelte sie weiter. »Lassen Sie den Dämon heraus. Er ist in Ihnen.«
Jan versuchte zu lächeln. »Sagen Sie, Frau Birghid«, er betonte dieses Wort eine Spur zu deutlich und blickte ihr dabei ungeniert auf den Busen. »Ich werde den Gedanken nicht los, dass Ihnen und Ihrer – sagen wir, Gefolgschaft –, dass Ihnen diese Pockenepidemie sehr gut ins Weltbild passt.«
Ein feindseliges Murren ging durch den Raum.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Birghid, ohne seinen Blick zu kommentieren.
»Nun«, fuhr Jan ungerührt fort: »Pocken fallen ja nicht vomHimmel, und an die Schuld dieser Judenterrorgruppe glauben auch nur Dummköpfe. Oder Menschen, die nur noch von heilloser Angst befallen sind. Angst, die einer
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