Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
benötigen Kleidung und, ich fürchte, auch das Auto hier.«
Sie schienen es nicht zu begreifen. Auch der Lauf der Pistole änderte nichts daran.
»Nehmen Sie mein Geld, da vorne in der Ablage liegt meine Geldbörse.«
Faruk schüttelte den Kopf. »Steigen Sie bitte aus.«
Regina versuchte, nicht hinzusehen, aber das Bild war so surreal, dass sogar Faruk lächeln musste. Der Mann stand immer noch von den Füßen bis zum Bauch nackt an der Wagentür, das Kondom rutschte über den immer kleiner werdenden Schwanz. Angesichts der Kälte und der Gesamtsituation verständlich, wie Regina fast mitleidig dachte. Sie trug mit Widerwillen, aber dennoch glücklich ob der Wärme, die gelbe Leggins, die Schneeboots und die kurze Bolero-Ski Jacke der Frau. Die saß nun ebenso widerwillig nackt in ihrem Smart.
»Wir werden das beizeiten erklären«, sagte Regina, griff in den Leinenbeutel und klopfte an die Scheibe des Smarts. Mit einem schmollenden Gesichtsausdruck öffnete die Straßenhure. Regina drückte ihr das Bündel in die Hand. Dann schoss Faruk in die Reifen des Kleinwagens, nahm die Handys der beiden, das eine war lila und mit Strasssteinchen besetzt, und setzte sich mit Regina in den nach schnellem Sex und billigem Parfum riechenden Porsche Cayenne.
Faruk sah auf die Uhr im Armaturenbrett. Sie hatten nur noch wenige Stunden Zeit, um nach München zu kommen. Wenige Stunden, ehe das Virus ein zweites Mal zuschlagen würde. Diesmal gab es keinen Schutz. Regina nahm das Telefon. Sie musste Jan und Elijah informieren.
München, Deutschland, 23. 12., 03.56 Uhr
Tränen liefen aus ihren Augenwinkeln hinab über Wange und Kinn, tropften auf ihr Nachthemd und bildeten dort einen immer größer werdenden nassen Fleck. Er hatte sein Wort gebrochen. Er hatte stürmen lassen. Es war der Vollzug seiner letzten, blutigen Nachricht: »Wenn du es mir nicht gibst, lösche ich dich und die Deinen aus.« Sie hatte es nicht geglaubt. Sein Verlangen nach dem Werk schien zu groß zu sein.
Mit zitternden Händen wählte sie auf dem abhörsicheren Satellitentelefon seine Nummer. Es rauschte. Etwas tickte in der Leitung. Dann ertönte eine elektronische Stimme, wie in einer Service-Hotline. Sie drückte einen siebenstelligen Nummerncode, und dann endlich war seine Stimme brüchig und fern, aber dennoch deutlich zu hören. »Du musst mir glauben, das ist nicht in unserem Sinne. Das war so nicht geplant … Du musst jetzt ruhig bleiben. Dein Vater war ein Freund meines Vaters. Das war ein Alleingang von …«
Sie drückte auf die rote Taste und hielt das Gerät noch Sekunden in der Hand. Von jetzt an war sie allein. Gehetzt und gejagt von ihm. Aber das Leben, das unter ihren Brüsten strampelte, würde sie bis zum letzten Atemzug schützen. Koste es, was es wolle.
Sie beugte sich nach vorn und packte mit langsamen Bewegungen ihre Tasche. Leise öffnete sie die Tür, lauschte in die Stille hinein und stieg dann die Holztreppe zur Rezeption hinab. Alles war verwaist. Schon hier unten waren die Heizungen abgestellt worden, Strom und Wärme waren ein knappes Gut. Sie legte vorsichtig den Schlüssel auf den Tresen und stapfte, den Kopf nach unten gebeugt, hinaus in die kalte Winternacht. Keine Straßenbahn, kein Auto fuhr. Der Platz vor ihrer Pension war menschenleer. Sie würde zu seiner Wohnung gehen müssen. Ezechiel hatte die Adresse herausgefunden. Eine Militärstreife fuhr im Schritttempo die Einkaufsstraße in ihre Richtung hinauf. Sofort drückte sie sich in einen Hauseingang. Sie konnte die Soldaten in ihren weißen Schutzanzügen sehen. Sie leuchteten mit großenScheinwerfern, die Skelettfingern glichen, in die Schaufenster und an den Hauswänden hinauf.
Almut Moser war am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte hoch gepokert und schien jetzt so ziemlich alles zu verlieren. Ihr letzter Trumpf schlummerte in ihrem Leib. Wieder war sie auf der Flucht. Ihr ganzes Leben schien eine einzige Flucht zu sein. Ihre Pflegeeltern in Rohrbrunn, die heimlichen Treffen mit ihrem Vater in irgendwelchen Ostblockstaaten. Alois Fischer, der SS -Schlächter, hatte sich seiner Tochter erst offenbart, als sie in der Lage war zu schweigen. Zu groß war das Risiko gewesen, dass sie in kindlicher Naivität irgendwelchen Judenschnüfflern etwas verriet. Während ihrer Studienzeit begriff sie mehr und mehr die Monstrosität seiner Verbrechen, wollte wieder fliehen, doch etwas zog sie in den Nahen Osten, in die neue Heimat ihres Vaters. Almut Moser, geborene Fischer.
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