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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Sektierer gestoppt worden waren. Aber der israelische Geheimdienst hatte der Kanzlerin sehr stichhaltige Beweise geliefert, dass Missfeld auf eigene Rechnung gehandelt hatte. Wo war er bloß? Zu der Morgensitzung mit Englert sollte er dringend erscheinen.
    Ihr aalglatter Pressesprecher kam mit wichtiger Miene herein, beugte sich zu ihr herunter und legte ihr einen gelben Notizzettel auf den Tisch. »M. heute Morgen abgereist. Aufenthaltsort unbekannt«.

Das dritte Buch

Péronne, Ostfrankreich, 24. 03. 1918, 03.30 Uhr
    Das Rathaus war gesprengt worden. In den Kolonnaden lagen tote englische Soldaten aufgestapelt. Sie rochen. Eine Granate hatte einen Dachbalken in den mageren Bauch eines Pferdes getrieben. Es lag auf dem Rücken - die Augen weit aufgerissen. Auf einem großen Holzbrett, das am aufgerissenen Dach von Soldaten befestigt worden war, stand: »Nicht ärgern. Nur wundern.«
    Vier Tage hatte es geregnet. Durchgehend. Immer waren sie marschiert, über Granattrichter und auf zerstörten Straßen und durch fußtiefen Schlamm. Nachts unter einer Zeltbahn eingerollt fanden die wenigsten etwas Schlaf. Am nächsten Morgen war alles nass und lehmig. Pro Mann erhielten sie einen halben Löffel Marmelade. Ludendorff hatte als Marschgeschwindigkeit »10 Minuten für den Kilometer« ausgegeben und auf »einwandfreie Marschordnung« gedrungen. Im vierten Kriegsjahr war die Armee des deutschen Kaisers nur noch ein zerlumpter und erschöpfter Haufen. Sie sahen aus wie Gespenster. Farblos, verhungert, in zerrissenen Uniformen, verlaust schleichend, manche fast Menschen nicht mehr ähnlich. Aber ein letztes Mal wollte die Oberste Heeresleitung die Briten und Franzosen hier in der Picardie mit einer Offensive bezwingen – so wie im Osten das Russische Reich.
    Kurzer Optimismus hatte die behaglich warmen Hauptquartiere der Generalität durchzogen.
    Die einst schöne Stadt Péronne lag mitten in der Kampfzone und war nun ein Meer aus Ruinen, Leichen und Gestank. Nicht weit von hier tobte 1916 die blutigste Schlacht des Krieges. Hier verreckten am ersten Tag in deutschem Maschinengewehrfeuer 19000 Engländer. Es war kein Fallen, kein ehrenvolles Sterben, hier zermalmte der Krieg die Menschen, schändete, zerriss und zerstampfte alles, was leben wollte. Zurück war eine Wüste geblieben. Kein Dorfstand mehr. Der Boden war durch die ständigen Bomben, Granaten und Gasangriffe tot und feindlich geworden.
    Drei Tage zuvor hatte die Oberste Heeresleitung um 4.40 Uhr die Hölle losbrechen lassen. Es war die letzte große Offensive mit dem Codenamen »Michael«. Fünf Stunden lang fielen daraufhin in einer Linie von 70 Kilometern Gas und Bomben auf die englischen Stellungen. Um 09.45 Uhr waren dann die ersten der anderthalb Millionen deutschen Infanteristen, die hier zusammengezogen waren, wie Geister aus ihren Gräben gestiegen, über ihren Gesichtern übergroße Gasmasken und in ihren dürren, ausgezehrten Händen ihre Karabiner und Handgranaten und alles andere Todbringende. Diese ausgelaugten Männer hatten in ihrer schieren Verzweiflung die überraschten Alliierten weiter zurückdrängen können als jemals in den vergangenen zwei Jahren zuvor. Drei Tage später erreichten die deutschen Soldaten das alte Schlachtfeld von 1916. Hier gab es nur noch Trichterfelder, mit spärlichem totem Gras überzogen, aufgerissene Holzbohlenwege und dazwischen kleine englische Kreuze. Das Ziel, die britischen und französischen Verbände zu teilen, war nicht erreicht worden.
    In dieser Hölle stand am Morgen des 24. März 1918 Leutnant Wilhelm Fischer mit seinem Zug aus zitternden Abiturienten, hohlwangigen Bauernsöhnen und greisenhaft wirkenden Männern. Er war 22 Jahre alt, hatte einen Monat vor Kriegsbeginn das Abitur gemacht, sich freiwillig gemeldet und – führte diese Handvoll Männer. Einen Sturmtrupp nannten sie das jetzt. Kleine Einheiten, die nicht zusammengekauert in vollgelaufenen Schützengräben verharrten, sondern in möglichst dauerhafter Bewegung weit in die feindlichen Linien stoßen sollten. Das war die Theorie. Praktisch hatte er in den letzten neun Tagen vier solcher Züge ins Feuer geschickt. Nur er überlebte das Schlachten – bis jetzt.
    Nicht allein die feuchte Kälte, die durch seinen verlausten Mantel kroch, ließ ihn frieren. Von seinem eigenen Ausbildungszug lebte keiner mehr. Ein Scharfschütze hatte seinem Schulfreund Paul Bremer gestern Abend noch, nach fast vier Jahren gemeinsamen Kämpfens, kurz vor Einbruch

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