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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Rücken gesehen, als wir uns unterwegs an einem Wasserloch in den Scablands wuschen – mir ist heute noch rätselhaft, wie er das in dieser Ödnis gefunden hat. Dann hat Vague Henri mir erzählt, was die Mönche mit Cale angestellt haben. Schon als kleiner Junge wurde er von diesem Monsignore Bosco für jede Kleinigkeit bestraft. Je unbedeutender, desto mehr erfreute sich dieser Mönch daran. Er beschuldigte ihn zum Beispiel, beim Beten die Daumen zu kreuzen, beim Schreiben der Ziffer Null das Häkchen zu vergessen und so weiter. Dann zerrte er ihn vor die versammelten Zöglinge und verprügelte ihn grausam. Er schlug ihn, bis er zu Boden ging, dann trat er ihn mit Füßen. Und schließlich machte er einen Schlächter aus ihm.«
    Riba hatte sich in Rage geredet – nicht nur gegen die Erlösermönche. »Mich wundert es, dass er sich überhaupt für uns den Arsch aufreißt, geschweige denn sein Leben für uns riskiert.«
    Bei diesem gewagten Sprachbild schaute Arbell Schwanenhals ziemlich entsetzt drein.
    »Mademoiselle, es ist Zeit, dass Ihr von Eurem hohen Ross herabsteigt und ihm Dankbarkeit und Mitgefühl zeigt, wie er es verdient.«
    Riba hatte unterdessen etwas von der ursprünglichen Reinheit ihrer Absicht verloren und ein wachsendes Vergnügen an der Verlegenheit ihrer Herrin gefunden. Aber sie wusste, wie weit sie gehen durfte, und ließ es bei diesem Tadel bewenden. Lange schwiegen beide, und Arbell kämpfte sichtbar mit den Tränen. Ihr verschleierter Blick wanderte durch den Raum, dann zu Riba, dann wieder zurück in den Raum. Schließlich seufzte sie tief.
    »Mir war das nicht bewusst. Ich habe nicht gemerkt, was ich anrichte.«
    Es klopfte und Cale trat ein. Die Stimmung im Raum war nicht mehr dieselbe, aber Cale bekam die Veränderung nicht mit. Die Veränderung war tief greifender, als Riba und sogar die junge Frau, die es im Wesentlichen betraf, ahnten. Arbell Schwanenhals, die schönste und meistbegehrte Frau in Memphis, wurde von Mitleid ergriffen, als sie die schrecklichen Narben auf Cales Rücken sah. Zugleich aber spürte sie noch etwas anderes: eine weniger edle, dafür umso heftigere und ganz unerwartete Regung. Cales entblößter Oberkörper war völlig anders als die schlanken, wenngleich durchtrainierten Körper der Materazzi-Jugend. Cales Schultern waren breit, seine Taille ungewöhnlich schmal. An seinem Körperbau war nichts Elegantes. Seine Stiergestalt beeindruckte durch Muskeln und Kraft. Nein, schön war sie nicht, kein Künstler hätte diese Masse aus Sehnen und Narben in Marmor meißeln wollen. Aber ihr bloßer Anblick ließ Arbell Materazzis Herz höher schlagen – und nicht nur ihr Herz war betroffen.

SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    S ehr schön, Pater«, gurrte Kitty der Hase und strich mit den Fingernägeln über die Tischplatte, auf der die goldene Statue der Wollüstigen Venus von Strabo stand. Beim Klang von Kittys sanfter Stimme hatte Stape Roy den Eindruck, als schmeichelte sich etwas unerhört Verdorbenes in sein Ohr. »Das ist schon höchst merkwürdig«, murmelte Kitty, während er den Blick nicht von der Statue löste. Wenigstens vermutete Roy das, denn wie immer war Kittys Gesicht unter einer grauen Kapuze verborgen, wofür der Pater ihm sehr dankbar war.
    »Die Statue gehört Euch, wenn Ihr uns helft. Was kümmern Euch da unsere Gründe?«
    Immer noch war das leise Kratzen der Fingernägel auf der Tischplatte zu hören. Plötzlich zuckte der Pater zusammen, denn das Kratzen hörte auf und die bislang verhüllte Hand griff nach der Statue. Für einen Augenblick war Kittys Hand zu sehen, aber es war gar keine Hand. Eher eine graue, leicht behaarte Hundepfote, nur länger, viel länger, und mit gefleckten Fingernägeln. Und auch das vermittelte nur einen ungefähren Eindruck. Sanft wie eine Mutter ihr Baby so streichelte die Hand die Statue eine Weile, dann wurde sie wieder zurückgezogen.
    »Ein edles Stück«, säuselte Kitty der Hase. »Es hieß aber, es sei in Scherben zerbrochen und dann in den Vulkan bei Delphi geworfen worden.«
    »Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall.«
    Sein Gegenüber stieß einen tiefen Seufzer aus, den der Pater auf dem Gesicht spürte wie den heißen, übel riechenden Atem eines großen, bösartigen Hundes.
    »Es wird Euch nicht gelingen«, gurrte Kitty der Hase.
    »Das ist Ansichtssache.«
    »Das ist eine Tatsache«, stellte Kitty der Hase fest.
    »Das ist unsere Sache.«
    »Ihr wollt einen Krieg anzetteln, daher ist es auch meine

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