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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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deshalb wird es auch nicht geschehen. Habt Ihr von den Gerüchten gehört, warum wir versucht haben, Arbell Materazzi zu entführen?«
    Stape machte ein beunruhigtes Gesicht. »Es ist eine Sünde, Euer Gnaden, auf Gerüchte zu hören, und eine noch größere, Gerüchte weiterzutragen.«
    Bosco lächelte. »Selbstverständlich, aber in diesem Fall gebe ich Euch einen Dispens. Die Sünde der Verbreitung von Gerüchten ist Euch bereits vergeben.«
    »Nach einem oft gehörten Gerücht soll sie eine geheime Konvertirin zum Ketzerglauben der Antagonisten sein. Sie soll deren Irrlehren verbreitet haben. Außerdem soll sie eine Hexe sein, die Orgien veranstaltet und Männer zu Tausenden verführt hat. Unter anderem soll sie Erlösermönche zum Glaubensabfall gezwungen haben, indem sie ihnen unter Folter Krebse zu essen gab.«
    Bosco nickte. »Wenn das zutrifft, wäre sie in der Tat eine große Sünderin.«
    »Ich wiederhole nur die Gerüchte, ich habe nicht gesagt, dass ich sie für wahr halte.«
    »Das spricht für Euch«, sagte Bosco lächelnd. »Der Grund, weshalb ich sie habe entführen lassen, war der, dass ich die Materazzi aus den Mauern von Memphis locken wollte. Im ganzen Reich gilt Arbell Materazzi ihrer Jugend und Schönheit wegen als Königin, als Stern am Himmel. Überall, auch in der letzten, von Fliegen durchsummten Bauernkate spricht man von ihren Künsten. Kein Zweifel, dass vieles übertrieben oder schlichtweg erfunden ist. Aber sie wird vergöttert, nicht zuletzt von ihrem Vater. Die Nachricht vom Scheitern der Entführung hat mich nicht schwer getroffen. Wenn allgemein bekannt geworden wäre, dass wir so etwas Ungeheuerliches versucht haben, wäre mein Ziel schon erreicht gewesen. Die Materazzi wären wutentbrannt aus Memphis gestürmt, um uns vom Antlitz der Erde zu tilgen.« Bosco setzte sich wieder und ließ seinen Blick auf dem kampferprobten Mann vor ihm ruhen. »Das ist aber nicht geschehen, müsst Ihr im Stillen denken, und daher ist meine Annahme falsch. Ihr seid nur zu höflich oder zu unterwürfig, das auch auszusprechen. Doch da irrt Ihr euch. Marschall Materazzi hingegen denkt wie ich. Denn bei aller Liebe für seine Tochter ist er doch nicht sentimental. Er hat die Entführung geheim gehalten, weil er weiß, dass er andernfalls dem Rachedurst des Volkes nachgeben müsste. Und damit wären wir wieder bei Euch, Stape. Ihr habt ein gutes Verhältnis zu diesem Dingsbums in...«
    »Kitty-Town, Euer Gnaden.«
    »Ihr sollt ihn davon überzeugen, Euch bei einem Überfall mit sagen wir dreißig bis fünfzig Mann, je nachdem, was Ihr für nötig erachtet, zu helfen. Ihr werdet den Kriegern mitteilen, dass die Gerüchte über Arbells Ketzerei zutreffen und dass die Männer zu Märtyrern erhoben werden, wenn sie im Kampf fallen... was sie mit Sicherheit werden. Ihr sorgt dafür, dass die von Euch ausgesuchten Hauptleute eine Urkunde bei sich führen, die über die Gründe ihrer Märtyrertat aufklärt. Mit ein wenig Glück werden einige so lange am Leben bleiben, bis die Materazzi die Wahrheit aus ihnen herausgepresst haben. Diesmal will ich unbedingt vermeiden, dass unsere Unternehmung vertuscht werden kann. Habt Ihr mich verstanden?«
    »Jawohl, Euer Gnaden«, antwortete der blass gewordene Truppenführer Stape Roy.
    »Ihr seid ziemlich blass im Gesicht, Pater. Zu Eurer Beruhigung darf ich sagen, dass Euer Tod nicht erforderlich ist. Im Gegenteil. Ihr sollt für den Angriff Männer aussuchen, die bereits Schande auf sich geladen haben. Was ich von Euch verlange, ist verwerflich, aber notwendig.«
    Als Roy hörte, dass das Opfer seines wertlosen Lebens nicht erforderlich sei, kam wieder etwas Farbe in sein Gesicht. »Kitty der Hase«, sagte er, »wird wissen wollen, worauf er sich einlässt. Er wird für sich kein Interesse erkennen, in eine solch zweifelhafte Sache hineingezogen zu werden.«
    Bosco wischte diesen Einwand weg.
    »Versprecht ihm, was Ihr wollt. Sagt ihm, im Falle unseres Sieges werden wir ihn zum Satrapen von Memphis machen.«
    »Er ist kein Narr, Euer Gnaden.«
    Bosco überlegte einen Augenblick.
    »Bringt ihm die goldene Statue der Wollüstigen Venus von Strabo.«
    Roy sah ihn erstaunt an. »Ich dachte, die sei in tausend Stücke zerbrochen und bei Delphi in den Vulkan geworfen worden.«
    »Nur ein Gerücht. Die gotteslästerliche, unzüchtige Statue wird dieser Kreatur die Ohren verschließen und sie, Narr oder nicht, für alle kritischen Fragen taub machen.«

SECHSUNDZWANZIGSTES

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