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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Arbeitszimmer versammelt waren, »dass ihr darüber Bescheid wisst, wie die Verhältnisse unter den Materazzi geregelt sind, aber es wird Zeit, dass ihr es versteht. Die Soldaten haben ihr eigenes Gesetz und unterstehen allein dem Marschall. Während ich ihn in Fragen der öffentlichen Sicherheit berate, habe ich kaum Einfluss auf militärischem Gebiet. Trotzdem muss ich mich für alles interessieren, was den Krieg betrifft, und gleichfalls für euer erstaunliches Talent zur Gewalttätigkeit. Ich muss zu meiner Schande gestehen«, fuhr er, ohne zu erröten, fort, »dass ich auf eure Begabung auf diesem Gebiet hin und wieder zurückgreifen könnte, und deshalb solltet ihr gewisse Dinge einfach wissen. Hauptmann Albin ist ein ausgezeichneter Polizeioffizier, aber er gehört nicht zur Kaste der Materazzi. Mit seiner Entscheidung, die Generäle zu eurer Vorführung einzuladen, hat er ein mangelhaftes Verständnis für etwas gezeigt, was er erst jetzt begreift und was auch ihr unbedingt zur Kenntnis nehmen solltet. Die Materazzi haben einen tiefen Widerwillen, ohne Einsatz des eigenen Lebens zu töten. Sie halten ein solches Vorgehen für unter ihrer Würde, dergleichen tun ihrem Verständnis nach nur Mörder und Totschläger. Die Rüstungen der Materazzi sind die besten der Welt, und deshalb sind sie auch so teuer. Viele Materazzi zahlen zwanzig Jahre lang die Schulden ab, die sie für den Kauf einer einzigen Rüstung eingegangen sind. Es ist unter ihrer Würde, sich dem Gegner ohne diese Rüstung und ohne entsprechende Ausbildung in der Schwertkunst zu stellen. Sie zahlen diese hohen Summen, um gegen Männer ihres Standes in einem Kampf auf Leben und Tod anzutreten. Sie können den Gegner töten oder der Gegner tötet sie, aber selbst im Tod wahren sie ihre Standesehre. Welche Ehre könnten sie erringen, wenn sie einen Schweinehirten oder einen Fleischergesellen abschlachteten?«
    »Oder sich von denen abschlachten zu lassen«, bemerkte Cale.
    »So ist es«, sagte Vipond. »Betrachtet die Sache vom Standpunkt der Materazzi.«
    »Wir sind aber weder Schweinehirten noch Fleischergesellen, sondern ausgebildete Krieger«, stellte Kleist klar.
    »Ich möchte euch keineswegs kränken, doch ihr seid ohne jeden sozialen Rang. Ihr gebraucht Waffen und Kampfmethoden, die im Gegensatz zu allem stehen, was ihnen hoch und heilig ist. Für sie seid ihr so etwas wie Ketzer. Von Ketzerei versteht ihr doch etwas, oder?«
    »Was bedeutet das schon?«, sagte Cale. »Ein Bolzen oder ein Pfeil weiß nicht und kümmert sich auch nicht darum, wer Euer Großvater mütterlicherseits war. Töten ist eben nur töten – so wie eine Ratte mit Goldzahn immer noch eine Ratte ist.«
    »Gewiss«, sagte Vipond, »aber das ist die Haltung der Materazzi seit über dreihundert Jahren und sie werden sie nicht ändern, nur weil ihr das für angebracht haltet.« Er wandte sich an Kleist. »Kann ein Pfeil von deinem Bogen durch eine Materazzi-Rüstung dringen?«
    Kleist zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich habe noch nie auf einen Materazzi in voller Rüstung geschossen. Aber die Rüstung müsste schon ziemlich gut sein, um einen vier Unzen schweren Pfeil, aus hundert Schritt Entfernung abgeschossen, abzuwehren.«
    »Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen, um das herauszufinden. Und deine stählerne Armbrust, Henri. Haben die Erlöser viele davon?«
    »Ich kannte sie nur vom Hörensagen, gesehen habe ich vorher keine einzige. Mein Lehrer hat selber nur zwei gesehen, ich glaube daher nicht, dass es viele gibt.«
    »Ich habe beobachtet, wie viel Zeit das Laden beansprucht. Die Materazzi haben Recht, wenn sie darin keine Waffe für das Schlachtfeld sehen.«
    »Das habe ich Euch von Anfang an gesagt«, protestierte Vague Henri. »Ein Bolzen von einer der anderen Armbrüste schlägt durch jede Rüstung. Das habe ich gesehen und auch selbst gemacht.«
    »Auch durch eine Materazzi-Rüstung?«
    »Das würde ich gern ausprobieren.«
    »Alles zu seiner Zeit. Ich schicke euch morgen einen Sekretär und einen Militärberater vorbei. Ich will alles, was ihr über die Taktik der Erlösermönche wisst, schriftlich haben. Verstanden?«
    Die drei waren nicht erbaut von dieser Aussicht, protestierten jedoch nicht.
    »Ausgezeichnet. Ihr könnt jetzt gehen.«

ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    I n der Geschichte der Duelle muss es oft dringende Gründe gegeben haben, dass ein Mensch einen Mitmenschen zu Tode brachte. Worin diese Gründe tatsächlich bestanden, ist jedoch nur in

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