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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Armbrust. Dieses Modell war deutlich größer, hatte aber dieselbe Bauweise. »Das hier ist die Zwei-Fuß-Armbrust. Sie heißt so, weil man, äh, zwei Füße in den Bügel setzt... und... äh... nicht bloß einen. Das bedeutet«, fuhr er fort, »dass man über noch mehr Durchschlagskraft verfügt.« Er wiederholte die Prozedur von vorhin und ließ den Bolzen in das zweite Ziel schnellen. Diesmal traf das Geschoss mit solcher Wucht, dass der Kopf des hölzernen Soldaten zersplittert wurde.
    Das missbilligende Schweigen wurde so eisig wie der Gletscher auf dem großen Salzberg. Wäre Vague Henri älter oder erfahrener in der Kunst der Darbietung gewesen, hätte er die Vorführung abgebrochen und seine Verluste in Grenzen gehalten. Da ihm aber die Erfahrung fehlte, beging er seinen größten Fehler. Auf einer Seite hatte er eine große Maschine unter einer Plane aus dem Palastkeller versteckt. Diesmal fehlten die eleganten Gesten eines Zauberers. Stattdessen zog er mit Cales Hilfe die Plane zur Seite und enthüllte eine stählerne Armbrust. Sie war doppelt so groß wie das vorige Modell und stationär am Boden montiert. Am hinteren Ende befand sich eine große Winde. Vague Henri betätigte die Winde und gab über die Schulter seine Erläuterungen. »Für den Einsatz auf dem Schlachtfeld ist diese Armbrust zu langsam, aber dank der Winde und dem Bogen aus Stahl kann man Ziele in einer Entfernung von über einer Drittelmeile treffen.«
    Auf diese Behauptung folgte diesmal wenigstens nicht eisiges Schweigen, sondern Kopfschütteln und laute Unmutsbekundungen. Da Vague Henri weder Cale noch Kleist über die Möglichkeiten seiner Entdeckung in Kenntnis gesetzt hatte, waren auch seine Gefährten skeptisch, behielten ihre Zweifel jedoch für sich. Die Skepsis spornte Vague Henri geradezu an. Er war eben noch jung, töricht und unerfahren genug, um zu glauben, dass Menschen, die man des Irrtums überführt hat, einen dafür nicht hassen. Er winkte einem von Albins Männern, eine Fahne zu heben. Nach einer kurzen Pause ging eine weitere Fahne am anderen Ende des Parks in die Höhe und eine zweite Plane wurde von einer weiß gestrichenen Zielscheibe von drei Fuß Durchmesser gezogen. Vague Henri lehnte sich mit der Schulter gegen die Armbrust, tat so, als ziele er ausgiebig, und gab den Bolzen frei. Mit einem großen Knall entlud sich die gewaltige Energie, die in dem gespannten Stahl gespeichert war. Der rot gefärbte Bolzen schnellte davon, als stecke ein Teufel darin, und entschwand den Blicken des Publikums in Richtung auf die weiße Zielscheibe. Henri hatte die Idee gehabt, den Bolzen mit rotem Puder zu färben. Als das Geschoss nun auf die Zielscheibe prallte, stob der Puder dramatisch über die weiße Fläche. Staunende Rufe und abfällige Bemerkungen beim Publikum, darunter auch von Kleist und Cale. Der Schuss gereichte einem Armbrustschützen zur Ehre, wenngleich die Leistung nicht so außergewöhnlich war. Vague Henri hatte viele Stunden gebraucht, um die stationäre Armbrust so auszurichten und den Bogen auf die exakte Entfernung einzustellen.
    Das tiefe Schweigen, das nun folgte, versuchte der Marschall dadurch zu überspielen, dass er zu Henri ging und ihm viele Fragen stellte. »Wirklich?« »Meine Güte!« »Das ist ja unglaublich! Er bat die Generäle näher zu kommen. Sie ließen sich dazu herab und begutachteten die Armbrust mit ähnlicher Begeisterung wie eine Herzogin, der man einen toten Hund zeigt.
    »Schön«, sagte schließlich einer von ihnen, »jetzt wissen wir, an wen wir uns wenden können, wenn wir jemanden aus sicherer Entfernung umbringen möchten.«
    »Na, na, Hastings«, tadelte ihn der Marschall im Ton eines jovialen Onkels. Und zu Vague Henri gewandt: »Achte nicht auf ihn, junger Mann, das hier halte ich für kolossal. Gut gemacht.«
    Und mit diesen Worten verabschiedeten sich der Marschall und die Generäle.
    »Du kannst von Glück sagen«, spöttelte Cale gegenüber Henri, »dass er dich nicht unters Kinn gefasst und dir einen Spanischen Knebel verpasst hat.«
    »Die Armbrust da«, sagte Kleist und zeigte auf das stählerne Ungetüm. »Wie viele Stunden hast du gebraucht, um es einzustellen?«
    »So lange hat es gar nicht gedauert«, log Henri. Einen Augenblick herrschte Stille.
    »Ich habe neulich auf dem Markt von Memphis einen neuen Ausdruck gelernt«, sagte Kleist. »Wer’s glaubt, wird selig.«

    »Es gibt keinen Grund«, sagte Vipond zu den drei Jungen, die tags darauf in seinem

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