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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Solomon Solomon, dessen Zorn und Stärke wie eine zweite Sonne auf ihn niederbrannte.
    Der Waffenmeister bedeutete ihnen, sich zu seiner Linken und Rechten aufzustellen. Dann rief er laut: »WILLKOMMEN IN DER OPERA ROSSO!«
    Wie ein Mann erhoben sich die Zuschauer und jubelten laut, ausgenommen das Segment des Amphitheaters, das den Materazzi vorbehalten war, wo Männer und Frauen nur mäßig klatschten. Die dort Versammelten gehörten nicht zur Creme de la Creme der Materazzi-Aristokratie, denn diese ließ sich zu solch vulgären Belustigungen nicht herab – auch nicht wegen Solomon Solomon, der, ließ man seinen militärischen Rang und Einfluss beiseite, eigentlich nicht zu ihnen gehörte, war er doch der Urenkel eines Mannes, der mit dem Verkauf von Stockfisch zu Reichtum gekommen war. Dennoch hatten sich einige Mitglieder der feineren Materazzi-Kreise, darunter der widerwillige Marschall, im letzten Moment in das Amphitheater begeben und beobachteten nun von ihren Logenplätzen aus, eine Auswahl frischer Krabben probierend, das Geschehen unten in der Arena. Aus dem für den Munus-Zirkel reservierten Segment brach blanker Hass aus, der sich in ausgestreckten Fingern, die alle auf Cale gerichtet waren, und in Spottgesängen Ausdruck verschaffte: »BUMLAKALAKA-LALA BUMLAKALAKALAKA TAK TAK TAK.«
    Vom obersten Rang der Westkurve warf ein geschickter Spitzbube, der den Kontrollen der Büttel entgangen war, eine tote Katze in hohem Bogen in die Arena. Als der Kadaver keine sechs Schritte von Cale entfernt in den Sand klatschte, brandete der tosende Beifall der Menge auf.
    Panik machte sich in Cales Seele breit, als hätte die Angst, die sich im Laufe der Jahre aufgestaut hatte, alle Dämme durchbrochen und allen Mut und Willen zur Macht fortgespült. Feigheit kroch ihm ins Mark, als ihm der Waffenmeister das Schwert reichte. Nur mit Mühe zog er es aus der Scheide, so schwach war er geworden. Mit kraftloser Hand ließ er es lose an der Seite baumeln. Alles an ihm war nur noch Empfindung – der bittere Geschmack des Todes und der Angst auf der Zunge, die grelle, brennende Sonne, der Lärm der Menge, die Wand der Gesichter. Da hob der Waffenmeister beide Hände. Die Menge wurde still. Dann ließ er sie wieder fallen. Die Menge brüllte wie ein mächtiges Tier, und Cale sah, wie der Mann, der sich anschickte, ihn zu schlachten, das Schwert hob und mit gemessenen Schritten auf den zitternden Jungen zukam.
    Tief in Cales Brust rief etwas um Hilfe, bettelte um Rettung: IdrisPukke rette mich, Leopold Vipond, rette mich, Henri und Kleist, rettet mich, Arbell, rette mich. Doch nichts konnte ihn retten, außer der Hilfe, die ausgerechnet von dem Mann kam, den er am meisten hasste. Es war Bosco, der ihn vor dem fatalen Schwertstreich und der Fontäne roten Blutes bewahrte, es waren die Jahre der Gewalt, die tägliche Furcht unter seiner Knute, die ihm nun Rettung brachten. Die Wasser der Angst froren zu Eis, erst in der Brust, dann, während Solomon Solomon um ihn tänzelte, drang die Kälte ins Herz und von dort in die Eingeweide, bis sie zuletzt auch Beine und Arme erreichte. Wie eine Wunderdroge, die augenblicklich von quälenden Schmerzen befreit, setzte nach wenigen Sekunden die alte lebensrettende Gleichgültigkeit gegenüber Angst und Tod ein. Cale war wieder ganz er selbst.
    Solomon Solomon kam Cales Regungslosigkeit erst verdächtig vor. Jetzt aber ging er, der erfahrene Vollstrecker eines gewaltsamen Todes, messenden Blicks mit erhobenem Schwert und in gespannter Haltung zum Angriff über. Er bewegte sich in Schlagweite, dann hielt er einen Augenblick inne. Beide sahen sich in die Augen. Die Menge verharrte in vollkommener Stille. Cale sah alles wie durch einen Tunnel – eine ältere Frau lächelte ihn an wie eine freundliche Großmutter und machte mit dem Finger das Zeichen des Halsabschneidens, die tote Katze lag steif da wie eine ungeschickt gemachte Spielzeugfigur, die junge Tänzerin am Rand der Arena hielt vor Furcht und Schrecken den Mund auf. Und sein Gegner bewegte sich wieder, das Geräusch des knirschenden Sandes unter seinen Füßen war lauter als die Zuschauermenge, die plötzlich so weit weg schien. Dann sammelte Solomon Solomon all seine Kraft und schlug zu.
    Cale wich Solomon Solomons Schwerthieb aus und führte seinerseits einen abwärts gehenden Hieb. Beide Kämpfer hatten die Plätze gewechselt – die Menge brüllte in Aufregung und Verwirrung. Keiner der beiden schien getroffen. Doch dann tropfte

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