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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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leise.
    Ob bei ihm alles in Ordnung sei.
    »Ja.«
    Ob ihm noch etwas fehle.
    »Nein, danke.«
    Dann breitete sich eine Stille aus wie am Bett eines Siechen. IdrisPukke, Augenzeuge des schrecklichen Massakers an den Erlösermönchen am Cortinapass, war sprachlos. Der kluge und trickreiche Kanzler Vipond, der wusste, dass er so einem Ausnahmewesen wie Cale vorher noch nie begegnet war, sah nun einen Halbwüchsigen vor sich, der einem trostlosen Tod vor einer schreienden Zuschauermenge entgegenging. Solche Duelle hatte er schon immer für nicht zu rechtfertigende Schlächtereien gehalten, jetzt erschienen sie ihm grotesk und unerträglich.
    »Lass mich noch einmal mit Solomon Solomon reden«, bot er Cale an. »Was hier geschehen soll, ist so dumm, dass es nicht erlaubt werden sollte. Ich erfinde eine Entschuldigung. Lass mich nur machen.«
    Er stand auf und wollte gehen. In Cales Brust stieg ein Gefühl empor, etwas, das er nicht für möglich gehalten hätte. Ja, setz dem Ganzen ein Ende. Ich will es nicht mehr. Genug . Aber als Vipond die Tür erreichte, machte sich etwas anderes in seinem Innern geltend, nicht Stolz, sondern sein tiefes Verständnis der Wirklichkeit.
    »Kanzler Vipond, ich bitte Euch, es hat keinen Zweck. Die Rache an mir ist ihm mehr wert als sein Leben. Was Ihr auch sagt, er wird nicht darauf eingehen. Ihr verschafft ihm einen Vorteil über mich, ohne dass ich etwas dabei gewinne.«
    Vipond widersprach ihm nicht, denn er wusste, dass Cale Recht hatte. Draußen klopfte es.
    »Noch eine Viertelstunde!«
    Dann ging die Tür auf. »Oh, da ist der Herr Vikar.«
    Ein auffallend kleiner Mann mit einem sanften Lächeln trat ein. Er trug einen schwarzen Gehrock und um den Hals einen weißen Kragen, der wie ein Hundehalsband aussah.
    »Ich komme, um Euch zu segnen«, sagte der Vikar. Er legte eine Pause ein. »Wenn Ihr nichts dagegen habt.«
    Cale sah IdrisPukke an. Der erwartete eigentlich, dass Cale den Mann gleich wieder hinauswarf. Doch Cale lächelte bei dem Gedanken und sagte: »Schaden kann es nicht.« Er streckte die Hand aus und IdrisPukke nahm sie.
    »Viel Glück, mein Junge«, sagte er und ging rasch hinaus. Cale nickte dem Kanzler zu, und Vipond nickte zurück. Dann ging er ebenfalls. Nun blieben nur noch die drei Jungen und der Priester.
    »Sollen wir beginnen?«, fragte der Vikar lächelnd, als ob er eine Trauung oder eine Taufe zelebrieren wollte. Er holte ein kleines silbernes Behältnis aus der Tasche. Er klappte den Deckel auf und zeigte Cale den pulverartigen Inhalt. »Asche von der verbrannten Borke einer Eiche«, erläuterte er. »Das soll ein Sinnbild für die Ewigkeit sein.« Er sagte das in einem Ton, als ob er dieser Auffassung wenig Glauben schenkte. »Darf ich?« Er tunkte den Zeigefinger in die Asche und zeichnete damit einen Strich auf Cales Stirn.
    »Bedenk, o Mensch: Staub bist du und kehrst zurück zum Staube«, psalmodierte er mit Elan. »Bedenke aber auch, wiewohl deine Sünden wie Scharlach sind, sollen sie weiß werden wie Schnee, wiewohl sie rot wie Karmesin sind, sollen sie wie Wolle werden.« Er klappte den Deckel des Silberbehältnisses wieder zu und ließ es wie ein Mann, der sich auf sein Metier versteht, zurück in die Tasche gleiten.
    »Ja, dann... viel Glück.«
    Als er schon bei der Tür war, rief ihm Kleist nach: »Habt Ihr das Gleiche auch für Solomon Solomon getan?«
    Der Vikar wandte sich noch einmal um und sah Kleist an, als versuchte er sich zu erinnern.
    »Wisst Ihr«, antwortete er mit einem seltsamen Lächeln, »das glaube ich eigentlich nicht.« Und mit dieser Bemerkung verschwand er.
    Draußen warteten keine weiteren Besucher. Wenig später klopfte es erneut leise. Vague Henri ging öffnen, und Riba schlüpfte in den Raum. Henri errötete, als sie ihm verstohlen die Hand drückte. Cale starrte auf den Boden und schien gedankenverloren. Riba wartete eine Weile, bis Cale die Augen hob und sie erstaunt ansah.
    »Ich bin gekommen, dir Glück zu wünschen«, sagte sie mit nervöser Stimme. »Es tut mir leid, und ich soll dir das hier geben.« Sie reichte ihm ein versiegeltes Billett. Er nahm es und erbrach das elegante Siegel.
    Ich liebe dich. Bitte komm zu mir zurück.
    Eine Minute lang sprach niemand ein Wort.
    »Was meinst du mit >es tut mir leid    »Es ist meine Schuld, dass du hier bist.«
    Von Kleist war ein verächtliches Schnaufen zu hören, aber er sagte nichts weiter. Cale sah sie an, als er das Billett Henri zur sicheren

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