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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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tagtäglich in der Ordensburg gesehen hatte. »Hier ist einer von den Gaddis-Zwillingen.« Das meldete Vague Henri. Nach einer kurzen Pause, in der er eine weitere Leiche umdrehte, sagte er: »Und hier ist sein Bruder.« Von der anderen Seite des Innenhofes, wo sich der Einstiegsschacht befand, kamen die Schreie von vier Materazzi-Soldaten herüber, die auf einen am Boden liegenden Mönch einschlugen und ihn mit Tritten traktierten. Die drei Gefährten stürmten los und wollten die Materazzi beiseitestoßen, die jedoch nicht abließen, bis Cale das Schwert zog und ihnen schlimme Verstümmelungen androhte, sollten sie sich nicht augenblicklich zurückziehen. Kleist und Vague Henri schleppten den Mönch fort, während die Materazzi mit finsteren Mienen zuschauten. Die gespannte Atmosphäre legte sich, als eine weitere Materazzi-Wache mit einem L-förmigen Schwert in der Hand herbeikam. »Wollt ihr euch das mal anschauen?«, sagte er mehrmals. »Wollt ihr euch das mal anschauen?« Langsam entspannte sich Cale und ging, die vier Materazzi weiterhin im Auge behaltend, zu seinen Gefährten hinüber.
    Cale, Kleist und Henri standen vor dem jungen Mönch, der, mit dem Rücken gegen die Palastmauer gestützt, zu ihren Füßen lag. Sein Gesicht war von den Schlägen geschwollen und ihm fehlten mehrere Zähne.
    »Er kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Vague Henri.
    »Ja«, bestätigte Cale. »Das ist Tillmans, Pater Navratils Akoluth.«
    »Du meinst Fummeltrines Süßer«, sagte Kleist, nachdem er sich den Bewusstlosen näher angeschaut hatte. »Ja, stimmt, das ist Tillmans.« Und er schnalzte zweimal mit den Fingern vor Tillmans Gesicht. »Tillmans! Wach auf!« Er rüttelte ihn an der Schulter, bis Tillmans stöhnte. Langsam öffnete er die Augen.
    »Sie haben ihn geröstet.«
    »Wen denn?«
    »Pater Navratil. Sie haben ihn auf einem Rost verbrannt, weil er sich an kleinen Jungen vergriffen hat.«
    »Das tut mir leid«, sagte Cale. »Er war alles in allem ein ganz guter Kerl.«
    »Solange man eine Wand im Rücken hatte«, bemerkte Kleist. »Er hat mir mal ein Schweinekotelett gegeben«, wusste er noch anzufügen. Diese Erinnerung war wohl das höchste Lob für einen Erlöser, wozu sich Kleist aufschwingen konnte.
    »Ich konnte sein Schreien nicht ertragen«, sagte Tillmans. »Es hat fast eine Stunde gedauert, bis er tot war. Anschließend drohten sie mir, ich hätte das Gleiche zu erwarten, wenn ich hier nicht mitmachte.«
    »Wer hat euch auf dem Weg hierher überwacht?«
    »Stape Roy und seine Männer. Sie sagten uns unterwegs, die Spione Gottes würden an unserer Seite kämpfen und wenn wir uns tapfer schlagen, bekommen wir eine zweite Chance. Schont mein Leben!«
    »Wir werden dir nichts tun. Sag uns nur, was du weißt.«
    »Nichts. Ich weiß wirklich nichts.«
    »Wer waren die anderen?«
    »Ich weiß es nicht – wie ich waren es keine Krieger. Ich möchte...«
    Tillmans’ Blick verlor sich in der Ferne. Wieder schnalzte Kleist mit den Fingern, aber diesmal erhielt er keine Reaktion, außer dass Tillmans’ Augen noch wirrer wurden und der Atem unregelmäßiger ging.
    Für einen Moment schien er wieder zu sich zu kommen. »Was ist das?« Dann rollte ihm der Kopf auf die Schulter.
    »Er wird den morgigen Tag nicht erleben«, sagte Vague Henri. »Armer Tillmans.«
    »Ja«, sagte Kleist. »Und die arme alte Fummeltrine. Was für ein Ende.«

    Diesmal dauerte es sehr viel länger, bis Cale bei Vipond im Kanzleramt vorgelassen wurde. Er musste fast drei Stunden in einem vollen Vorzimmer warten. Er hatte die Anweisung erhalten, um drei Uhr nachmittags vorzusprechen und vorerst Stillschweigen zu bewahren. Als er schließlich vor Vipond stand, hob der kaum die Augen.
    »Ich gestehe, dass ich meine Zweifel hatte, als ich deine Vorhersage hörte, die Erlöser würden einen Angriff auf Arbell in Memphis wagen. Ich fragte mich, ob du das nicht erfunden hattest, um dir und deinen Freunden eine gewichtige Aufgabe zu verschaffen. Pardon.«
    Cale war es nicht gewohnt, dass Amtsträger Irrtümer eingestanden – vor allem wenn sie eigentlich Recht hatten. Vipond reichte Cale ein Flugblatt mit dem stümperhaften Bild einer Frau mit entblößten Brüsten und darüber die Überschrift »DIE HURE VON MEMPHIS«. In dem Flugblatt wurde Arbell als Ausbund des Lasters dargestellt, die als Prostituierte mit kahl geschorenem Haupt alle Ahnungslosen zu Orgien der Teufelsanbetung verführte. » Ihre Sündhaftigkeit schreit nach der Rache des

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