Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
die am besten geeignet sind, sich an den Wachen der Erlösermönche vorbeizuschleichen.«
    Kurz nachdem Beale und seine Männer die Stadt verlassen hatten, griffen die Erlösermönche vor einer Bresche in der Stadtmauer an. Bei dem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch mit den dreihundert gepanzerten Materazzi-Soldaten, die sie dort erwarteten, verloren sie zwanzig der Ihren, während die Materazzi keine nennenswerten Verletzungen davontrugen. Erst eine Stunde nach dem Angriff stellte sich heraus, dass drei Materazzi fehlten.
    Noch merkwürdiger war der Umstand, dass am späten Nachmittag an den Stellen, wo die Belagerungsmaschinen der Erlösermönche gestanden hatten, vier Rauchwolken in den blauen Sommerhimmel aufstiegen. Die sogleich ausgeschickten Späher kehrten bald mit der Nachricht zurück, die feindliche Armee befinde sich auf dem Abzug, nicht ohne vorher die vier Maschinen, die mit so viel Mühe nach York transportiert worden waren, in Brand zu stecken.
    Als Beale nach drei Tagen Memphis erreichte, hatte man in der Stadt schon Nachricht über den Verbleib der anderen Hälfte der Vierten Armee des Generals Princeps und wunderte sich nicht wenig über die Neuigkeiten, die Beale mitbrachte. Die andere Hälfte der Kriegermönche hatte nicht etwa weitere befestigte Städte, die strategisch mindestens genauso bedeutend waren wie York, angegriffen, sondern diese links liegen gelassen und war direkt auf Fort Invincible zumarschiert. Nun lautete bei den Materazzi ein gängiges Scherzwort über Fort Invincible, dass dieser Ort gar kein Fort sei, aber das mache nichts, denn außerdem könne er auch nicht als uneinnehmbar gelten. Tatsächlich war es eine weiträumige Siedlung, umgeben von sanften Hügeln, die schlagartig von engen Schluchten und felsigen Bergkämmen abgelöst wurden. Das Nebeneinander so unterschiedlicher Geländeformationen stellte das am besten und am schlechtesten geeignete Terrain für Manöver der Kavallerie und der gepanzerten Fußtruppe dar. So gesehen war es der ideale Truppenübungsplatz für die Materazzi, die denn auch von allen Enden des Reiches nach Fort Invincible kamen und es auch wieder verließen. Zu jeder Zeit des Jahres hielten sich dort mindestens fünftausend Soldaten auf, Kavalleristen und Infanteristen, darunter viele altgediente. Dass die Erlöser Fort Invincible angreifen wollten, schien militärisch keinen Sinn zu haben, denn es bedeutete, die Militärmacht der Materazzi an einem ihrer stärksten Punkte herauszufordern, dort, wo sie täglich exerzierten. Viertausend Mönche hatten sich auf den Hügeln vor dem Fort in Kampfformation aufgestellt und forderten die Materazzi heraus. Und die griffen an. Der Gegner hatte das Pech, dass zum gleichen Zeitpunkt eine tausend Mann starke berittene Abteilung der Materazzi von einem Manöver heimkehrte und die Mönche von hinten angriff. Bei dem nun folgenden Gemetzel verloren die Mönche fast die Hälfte ihrer Männer. Die überlebenden Zweitausend kämpften sich zu den Thametischen Schluchten durch, wo sie zu den viertausend Mann der restlichen Armee stießen. Das Gelände war hier für Reiter viel schwieriger, und außerdem gab es diesmal keine böse Überraschung für die Mönche. Der erste Kampftag verlief verlustreich und ohne Ergebnis. Einen zweiten Tag gab es nicht, denn als die Materazzi am nächsten Morgen erwachten, stellten sie fest, dass sich die Mönche in die Berge zurückgezogen hatten, wohin ihnen die Reiterei nicht folgen konnte. Unterdessen zerbrachen sich in Memphis die Materazzi-Generäle den Kopf, welchen Zweck der Angriff auf Fort Invincible wohl gehabt haben könnte.
    Die Nachricht, die am folgenden Tag in Memphis eintraf, war in ganz anderer Hinsicht verblüffend, wenn der Ausdruck »verblüffen« auch Schrecken und Abscheu einzuschließen vermag. Um sieben Uhr früh am siebten Tag desselben Monats zog das Zweite berittene Infanterieregiment unter Pater Petar Brzica in Mount Nugent, einer dreizehnhundert Seelen zählenden Gemeinde, ein. Für ihren Einzug gab es nur einen Zeugen, einen vierzehnjährigen Jungen, der, unglücklich verliebt in ein Mädchen aus dem Dorf, schon sehr früh aufgewacht war und sich in den nahen Wald geflüchtet hatte, um dort sicher vor dem Spott der älteren Brüder seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Dem Jungen bot sich aus seinem Baumversteck ein seltsamer Anblick, doch die Merkwürdigkeit, dass dreihundert Soldaten sich ausgerechnet Mount Nugent zum Ziel genommen hatten, wurde dadurch

Weitere Kostenlose Bücher