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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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abgemildert, dass die Männer Kutten trugen, was er vorher noch nie gesehen hatte, und dass sie auf Eseln ritten. Das Auf und Ab der Reiter auf den ruckelnden Eselsrücken sah eher komisch aus, ganz anders als der imposante Anblick der Materazzi-Kavallerie, die er bei seinem einzigen Besuch in Memphis voller Scheu bestaunt hatte. Als die Kriegermönche nach acht Stunden das Dorf wieder verließen, waren außer dem Jungen alle Bewohner tot. Der Bericht über das Massaker, das der zuständige Sheriff aufgrund der Zeugenaussage des Jungen angefertigt hatte, kam zusammen mit einem Leinenbeutel auf Lord Viponds Schreibtisch.

    Die Erlösermönche trieben die Bewohner aus den Betten und, wiesen sie mittels eines Sprachrohrs darauf hin, dass es sich nur um eine vorübergehende Besetzung handele. Wenn sie sich den Anordnungen fügten, würde ihnen kein Leid geschehen. Männer und Frauen wurden getrennt, desgleichen Kinder unter zehn Jahren. Die Frauen brachte man zum Kornspeicher, der um diese Zeit leer war, da die Getreideernte noch, nicht begonnen hatte. Die Männer hielt man im Gemeindesaal fest. Die Kinder führte man ins Rathaus, dem einzigen dreistöckigen Gebäude des Dorfes, und sperrte sie im zweiten Stock ein. Bei unserer Ankunft stießen wir auf ein Podium, das die Erlösermönche in der Mitte des Dorfes errichtet hatten, und auf diesem Podium befand sich das Gerät, das wir in einem Leinenbeutel mitgeschickt haben.

    Vipond öffnete den Leinenbeutel. Darin war ein fingerloser Halbhandschuh, wie ihn Markthändler im Winter tragen, um die Hände warm zu halten und zugleich bewegliche Finger zu haben. Dieser Handschuh war jedoch aus besonders dickem Leder gefertigt und aus der dicksten Stelle entlang dem Rand des Handtellers ragte eine gebogene, fünf Zoll lange Klinge, die in ihrer Form der Rundung eines Halses folgte. Auf der Klinge war etwas eingraviert, »Graviso«, offenbar der Name des Herstellungsortes. Im Inneren des Handschuhs befand sich wie in der Wäsche von Internatszöglingen ein Namensschildchen. Auf dem Schildchen war säuberlich mit blauem Faden der Name Petar Brzica gestickt. Schaudernd wandte sich Vipond wieder dem Bericht zu.

    Die Erlösermönche begannen mit den Frauen. Sie führten sie einzeln nach draußen, wo sich das Opfer hinknien musste. Dann näherte sich ein Mönch, die Hand mit dem Gerät bewehrt, das wir diesem Schreiben beigelegt haben, dem Opfer von hinten, zog dessen Kopf zurück, sodass der Hals frei lag, und schnitt ihm mit der eigens für diesen Zweck gemachten Klinge die Gurgel durch. Die Leiche wurde außer Sichtweite geschafft, dann ließ man das nächste Opfer aus dem Gebäude holen, wo die Übrigen festgehalten wurden. Wir haben nur einen Überlebenden angetroffen, einen Jungen, der alles mit angesehen hat. Nach seiner Aussage hat jeder Mord nicht länger als dreißig Sekunden gedauert. Da die Opfer nicht wussten, was sie erwartete, schienen sie ängstlich, aber keineswegs von Schrecken erfüllt zu sein. Sie wurden so rasch vom Leben zum Todgebracht, dass während des ganzen Tages nicht einer laut aufschrie. Auf diese Weise hatten die Mönche bis ein Uhr mittags (der jugendliche Zeuge konnte das Zifferblatt auf der Uhr des Rathauses erkennen) alle Frauen (391) getötet. Mit den Männern (503) wurde genauso verfahren. Als die Reihe an die Kinder unter zehn Jahren kam (304), machten sie keine Anstalten mehr, ihr Vorgehen geheim zu halten. Einzeln oder zu zweit wurden die Kinder vom höchsten Balkon des Rathauses geworfen, um ihnen das Genick zu brechen. Selbst Säuglinge wurden nicht verschont. In meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht gesehen. Nach Abschluss seiner Aussage ist der jugendliche Zeuge, ohne dass wir ihn daran hindern konnten, unter lauten Rufen nach Vergeltung in den Wald gelaufen.
    Geoffrey Menouth, Sheriff der Grafschaft Maldon.
    Drei Tage lang hatte Cale vom Rand des Waldes, der den Königlichen Park säumte, die Materazzi-Armee beim Exerzieren in voller Rüstung beobachtet. Er hatte einmal das Gewicht einer solchen Rüstung ausprobiert, als dessen Besitzer vorübergehend in Arbells Palast Quartier bezog. Der Mann musste eine bedeutende Position innehaben, denn die Stadt war schon so von Materazzi überschwemmt, dass man weder für Geld noch Liebe, noch adlige Herkunft eine halbwegs bequeme Schlafstatt bekam. Er schätzte das Gewicht der Rüstung auf über fünfzig Pfund. Er bezweifelte, dass man mit einer solchen Last am Leib, sah man vom Schutz

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