Die linke Hand Gottes
seinem eigenen Namen dem Kriegsrat der Materazzi präsentiere, würde das Ansehen des Generals erheblich steigen. Gleiches dürfe er von dem Kriegsplan erwarten, den er ebenfalls dem General zur Verfügung stelle, sofern er dies wünsche. Vipond sah, dass der General gespalten war. Gewiss, der Mann war kein Narr, aber er war auch kein überragender Stratege und daher besorgt, dass ihm wegen der Erkrankung des Marschalls die Verantwortung für den gesamten Feldzug aufgebürdet werden könnte. Zwar hätte er es niemals zugegeben, aber tief in seinem Innern wusste er, dass er nicht der Mann für solch eine Aufgabe war. Vipond machte ihm seine verhüllte Zusammenarbeit dadurch schmackhaft, dass er Änderungen im Steuerrecht in Aussicht stellte, von denen Narcisse profitieren würde. Ferner bot er ihm den Abschluss eines sich schon zwanzig Jahre hinziehenden Erbschaftsstreits an, den der General zu verlieren im Begriff stand.
Der General war jedoch keineswegs korrupt und hätte niemals einer Strategie zugestimmt, die das Reich in Gefahr bringen würde. Nachdem er Viponds Plan, das heißt Cales Plan, mehrere Stunden lang studiert hatte, kam er zu der Erkenntnis, dass seine finanziellen und militärischen Interessen sich deckten. Ganz gleich, wer diesen Plan ausgedacht habe, so teilte er Vipond mit, er verstehe sein Metier. Dann äußerte er nicht ganz überzeugende Bedenken, einem anderen nicht die Meriten stehlen zu wollen, doch Vipond versicherte ihm, dass der Plan die Arbeit mehrerer Köpfe sei. Im Übrigen erbringe doch erst derjenige die eigentliche Leistung, unter dessen militärischer Führung der Plan in die Tat umgesetzt werde. Es wurde tatsächlich Narcisses Plan, nachdem er ihn dem Kriegsrat vorgestellt und verteidigt hatte. Zum ausschlaggebenden Argument für die versammelten Militärs wurde die Tatsache, dass die vorübergehend verschwundene Armee der Erlösermönche genau an dem Ort wieder auftauchte, den Narcisse vorausgesagt hatte.
Nach einem bekannten Ausspruch hat es sein Gutes, dass Kriege so ruinös viel Geld verschlingen, andernfalls würden die Menschen mit dem Kämpfen niemals aufhören. So treffend dieser Ausspruch ist, so gern wird er auch wieder vergessen, denn es mag gerechte und ungerechte Kriege geben, aber nie hat es billige Kriege gegeben. Die Materazzi hatten das Problem, dass die Juden des Ghettos die erfahrensten Finanziers ihres Reiches waren. Die Juden aber hatten große Vorbehalte gegenüber den Kriegen anderer, weil sie, ganz gleich wie der Sieger lautete, als Juden immer darunter zu leiden hatten. Wenn sie den Verlierern Geld geliehen hatten, zahlte ihnen niemand die Kredite zurück, wenn sie jedoch zu oft die Gewinner finanzierten, hieß es gleich, die Juden seien eigentlich schuld am Krieg und sollten deshalb vertrieben werden. Dann brauchte man ihnen ebenfalls das geliehene Geld nicht zurückzuzahlen. Die Materazzi versicherten den Juden, dass die Kriegsschulden in jedem Fall beglichen würden, woran sie selber nicht glaubten, während die Finanziers im Ghetto von einer klammen Lage auf dem Kreditmarkt sprachen, was ebenfalls nicht aufrichtig war, und so große Summen nur zu Wucherzinsen zu bekommen seien. Während die Verhandlungen noch liefen, sah Kitty der Hase eine Gelegenheit für sich und löste das Problem der Materazzi mit seinem Angebot, sämtliche Kriegsschulden zu finanzieren. Die Juden waren darüber heilfroh, betrachteten sie doch Kitty-Town als eine Schande vor Gottes Antlitz. Bekanntermaßen würden sie nie Geschäfte, auch nicht unter Androhung der Vertreibung, mit dem Inhaber dieser Spielhölle machen. Kitty bereiteten hingegen die Materazzi Sorge. Obwohl er Bestechung, Erpressung und Vetternwirtschaft geschickt für sich zu nutzen wusste, erhoben sich kritische Stimmen in Memphis gegen das schändliche Treiben in Kitty-Town und gewiss würde man früher oder öffentlich Maßnahmen gegen ihn fordern. Er spekulierte, dass ein Krieg, zumal wenn die Wogen des Patriotismus hochgingen, den Volkszorn über seine dubiosen Etablissements überspielen würde. Kitty war zuversichtlich, mit dem Geld, das er für einen, wie er vermutete, kurzen Feldzug vorstreckte, seine Position in Memphis nachhaltig verbessern zu können.
Nun konnten die Materazzi gegen die Erlöser losschlagen. Geleitet von Narcisses großem Plan und bejubelt von einer großen Volksmenge marschierten vierzigtausend Mann in schimmernder Rüstung aus den Toren der Stadt. Dazu wurde die amtliche Meldung
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