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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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in ihre Lage und stell dir vor, du hättest mit ansehen müssen, was einem anderen angetan wird, mit dem du fünf Jahre lang zusammen warst.«
    »Ich würde meinem guten Stern danken«, sagte Kleist, »dass ein Idiot wie Cale vorbeigekommen ist und mich gerettet hat. Im Übrigen solltest du mehr an uns und weniger an das Mädchen denken. Was geht sie uns eigentlich an? Das Schicksal hat uns weiß Gott nicht verwöhnt, warum sich noch zusätzlichen Ärger aufladen?«
    »Was geschehen ist, ist geschehen.«
    »Aber es ist noch nicht wirklich geschehen.«
    Das war zweifellos richtig, deshalb verfiel Vague Henri in Schweigen.
    »Warum sollten die Erlösermönche«, setzte er schließlich von Neuem an, »von allen Menschen ausgerechnet solche in die Burg bringen, die eine Lockspeise des Teufels sind? Mehr noch, warum sollten sie sie hätscheln und verwöhnen und ihnen schöne Lügenmärchen erzählen, nur um sie dann bei lebendigem Leib in Stücke zu schneiden?«
    »Weil es Schurken sind«, sagte Kleist mürrisch. Doch er war kein Narr, und die Frage beschäftigte ihn weiterhin. »Warum haben sie die Zahl der Akoluthen verfünf-, ja möglicherweise verzehnfacht?« Er fluchte und setzte sich. »Sag mir doch, Henri...«
    »Was denn?«
    »Wenn wir die Antwort wüssten, würdest du dich dann besser oder schlechter fühlen?« Und damit fiel er endgültig in Schweigen.

    Cale pinkelte über den Rand einer steil abfallenden Anhöhe. Das Jaulen der Meute kam aus größerer Nähe und riss nicht mehr ab. Er hoffte, mit dem durchdringenden Uringeruch die Hunde für ein paar Minuten von seiner wirklichen Fährte abzubringen. Trotz der Ruhepause atmete er stoßweise, die Beine wurden ihm schwer und zogen ihn nach unten. Nach seinen Berechnungen, die er anhand der Karte aus Boscos Arbeitszimmer angestellt hatte, hätte er schon längst bei der Oase sein müssen. Stattdessen nur Hügel, Felsen und Sand, so weit das Auge reichte. Ein Gedanke, den er seit dem Augenblick, da ihm die Karte in die Hände gefallen war, nicht mehr losließ, verhärtete sich langsam zur Gewissheit: dass es sich nämlich dabei um eine vom Kriegsmeister eigens für ihn aufgestellte Falle gehandelt haben könnte.
    In wenigen Minuten würden die Hunde nach ihm schnappen. Dass ihr Kläffen auch jetzt nicht nachließ, bedeutete, dass sie sich durch den Urin nicht von seiner Fährte hatten abbringen lassen. Er lief zwar weiter, aber nach vierstündigem Rennen konnte er das Tempo nicht mehr forcieren.
    Die Meute bellte mordlustig, während Cale immer langsamer wurde. Niemals würde er ihnen davonlaufen. Er atmete rasselnd, als ob Sand in die Lungen eingedrungen wäre, und nun geriet er auch noch ins Stolpern und fiel hin.
    Er war gleich wieder auf den Beinen, aber nach dem Sturz sah er die Gegend mit neuen Augen. Immer noch Höhen und Felsen, doch hier und da wuchsen Unkraut und Grasbüschel auf dem sandigen Boden. Wo Gras wuchs, da war auch Wasser.
    Die Hunde jaulten lauter, so als hätten sie einen Hieb mit einer nietenbeschlagenen Peitsche erhalten. Cale stürmte los. Er hoffte, auf dem direkten Weg zur Oase zu sein und nicht etwa nur ihren Rand zu streifen und erneut in die Ödnis und damit in den Tod zu laufen.
    Das Gras wuchs immer dichter, und als er über einen Hügelkamm sprang und beinahe erneut gestürzt wäre, tat sich vor ihm die Oase auf. Die Hunde spürten das nahe Ende der Jagd und kläfften aufgeregt. Cale lief stolpernd weiter, sein Körper rebellierte. Er durfte sich nicht umdrehen und tat es dennoch. Die Hunde kollerten über den Hügelkamm wie Kohlen aus einem Sack. Kläffend und jaulend vor Wut, ihn noch nicht in Stücke reißen zu können, kamen sie sich gegenseitig in die Quere.
    Cale kämpfte sich weiter, die Hunde mit fletschenden Zähnen hinter ihm. Jetzt erreichte er die ersten Bäume der Oase. Ein Hund, schneller und gieriger als der Rest der Meute, hatte ihn fast erreicht. Das Tier kannte seine Aufgabe und schlug die Krallen seiner Vorderpfote in Cales Hacken. Cale verlor das Gleichgewicht und stürzte.
    Beinahe wäre es um ihn geschehen gewesen, wenn der Hund nicht in seinem Vorwärtsdrang ebenfalls die Balance verloren hätte. Das Tier fand keinen Halt und stürzte Hals über Kopf gegen einen Baum. Der heftige Stoß gegen das Rückgrat ließ den Hund aufjaulen. Wütend versuchte er, gleich wieder auf die Beine zu kommen, doch mit seinem frenetischen Strampeln auf dem weichen Boden machte er alles nur noch schlimmer. Cale steuerte auf den

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