Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
doch nach kaum zwei Fuß auf dem Boden gelandet.
    Er nahm eine Kerze aus dem Rucksack und machte mit Zunder und Flintstein Feuer. Bald hatte er eine Flamme, um die Kerze anzuzünden, doch als er das Licht in die Dunkelheit über ihm hob, erwies sich der Schein als zu schwach. Im nächsten Augenblick blies ein Windstoß die Kerze aus. Da sich auch der Mond hinter dicken Wolken verbarg, herrschte völlige Finsternis. Wenn er jetzt losginge, würde er unweigerlich stolpern und hinfallen. Das aber bedeutete, selbst wenn er sich nur leicht verletzte, eine Behinderung auf der Flucht und damit den sicheren Tod. Folglich war es besser, die zwei Stunden bis Tagesanbruch zu warten. Also mummelte er sich in die Kutte ein, legte sich hin und schlief bald darauf ein.
    Ungefähr zwei Stunden später erwachte er beim ersten Morgengrauen. Das Licht reichte für eine erste Orientierung aus. Wie ein Zeigefinger markierte das von der Mauer herabhängende Seil die Stelle, wo er seine Flucht begonnen hatte. Aber daran war jetzt nichts zu ändern. Auch bedauerte er, das Seil, das ihn so viele Jahre Arbeit und Übelkeit gekostet hatte, zurücklassen zu müssen. Es erschien Cale, obwohl er so etwas noch nie gesehen hatte, wie ein hundert Ellen langer Pferdeschwanz. Er kehrte der Mauer den Rücken und stieg im Licht der aufgehenden Sonne den felsigen, weglosen Hang der Ordensburg hinab, froh bei dem Gedanken, dass es noch gut eine Stunde dauern könnte, bis sie die Leiche des Zuchtmeisters finden und mit etwas Glück weitere zwei Stunden, bis sie auch auf das Fluchtseil stoßen würden.

    Doch das Glück war nicht auf seiner Seite. Schon eine halbe Stunde vor Tagesanbruch war die Leiche des Zuchtmeisters von seinem Diener entdeckt worden, dessen hysterische Schreie die ganze Ordensburg geweckt und in helle Aufregung versetzt hatten. In Windeseile wurden die Insassen aller Schlafsäle aus den Betten gescheucht und zum Appell getrieben. Sofort stellte sich heraus, dass drei Akoluthen fehlten.
    Hundeführer Brunt, der unter den Mönchen die Aufgabe hatte, die wenigen Zöglinge einzufangen, die vermessen genug waren, eine Flucht zu wagen, wurde unverzüglich zu Monsignore Bosco geschickt, wo er zum ersten Mal in seinem Leben ohne Verzögerung in dessen Gemächer eingelassen wurde.
    »Ich will alle drei lebend zurückhaben«, forderte Bosco seinen Untergebenen auf. »Damit meine ich, dass du alle erdenklichen Anstrengungen unternimmst.«
    »Selbstverständlich, Monsignore. Ich versuche...«
    »Erspare mir das«, unterbrach ihn der Kriegsmeister. »Ich befehle es dir: Unter keinen Umständen und um den Preis deines eigenen Lebens darf Thomas Cale etwas geschehen. Sollten Kleist und Henri getötet werden, so mag es geschehen, wenngleich ich auch sie lieber lebend hätte.«
    »Darf ich erfahren, warum Cales Leben so kostbar ist, Monsignore?«
    »Nein.«
    »Wie soll ich es den anderen erklären? Sie sind außer sich vor Zorn und werden es nicht verstehen.«
    Bosco verstand, worauf Brunt hinauswollte. Heiliger Zorn konnte selbst den folgsamsten Erlösermönch überkommen, wenn ein Zögling diesen schier unvorstellbaren Frevel begangen hatte. Daher ließ sich der Kriegsmeister zu einer Erklärung herab. »Dann sag, dass Cale in meinem Auftrag handelt und sich gezwungenermaßen den Flüchtigen angeschlossen hat. Er will damit eine schreckliche Verschwörung aufdecken, bei der es um ein Attentat der Antagonisten auf unseren Heiligen Vater geht.« Das war zwar, wie Bosco selbst wusste, an den Haaren herbeigezogen, aber für Brunt reichte das. Tatsächlich wurde der auch bleich vor Entsetzen und dies, obwohl er selbst bei den alles andere als zimperlichen Hundeführern für seine außergewöhnliche Brutalität bekannt war. Aber aus dem tiefen Gefühl, den Heiligen Vater, ähnlich wie ein Sohn seine Mutter, schützen zu müssen, stellte niemand eine solche Erklärung infrage.
    Cales Fluchtseil wurde rasch gefunden und den Hunden vorgehalten, damit sie die Fährte aufnahmen. Dann öffnete sich das große Tor, und der Suchtrupp begann die Jagd auf Cale, der nur noch knapp fünf Meilen Vorsprung vor ihnen hatte. Doch in anderer Hinsicht war sein Plan erfolgreich: In der Ordensburg war keiner auf die Idee gekommen, dass nur ein Akoluth geflüchtet war, daher wurde innerhalb der Mauern nicht gesucht. Vorerst waren Vague Henri, Kleist und das Mädchen in Sicherheit, vorausgesetzt dass Cale auch Wort hielt.
    Cale lief vier weitere Meilen, bis ihm der Wind fernes

Weitere Kostenlose Bücher