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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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»Wenn du ihre Erzählung gehört hast, sollst du sehen, ob sie dazu gebracht werden kann, über alles Verschwiegenheit zu wahren und stattdessen als neue Lebensgeschichte von sich zu behaupten, sie komme von den südlichen Inseln oder sonstwoher. Sie hat schon gute Manieren, aber wir werden ihr darüber hinaus unsere Manieren beibringen. Wenn sie es gut macht, kannst du sie zu einer Kammerdienerin oder sogar einer Gesellschafterin erziehen.««
    »Ich soll eine Dienerin erziehen?«, empörte sich Mademoiselle Jane.
    »Ich erwarte, dass du tust, was ich dir sage. Und nun geh.«

DREIZEHNTES KAPITEL
    S tape Roy, der Späher des südlichen Suchtrupps, hatte seine hundert Mann samt Hunden in einer kleinen Stadt dreißig Meilen vor Memphis zurückgelassen und ritt nun mit einem Gefühl in die Metropole, wie er es sein Lebtag noch nicht empfunden hatte. Diese Beklemmung war keine Kleinigkeit, denn Stape hatte in seinem Leben schon Höllisches erlebt und auch anderen höllische Pein verursacht. Je näher er aber Kitty-Town kam, desto deutlicher spürte er mit jedem Schritt, dass er der Hölle auf Erde näher rückte.
    Vor dem grell erleuchteten Tor zum albtraumhaften Vergnügungsviertel von Memphis hielt er an, stieg vom Pferd und führte es die letzten Schritte. Selbst zu dieser späten Stunde drängten sich Auswärtige und Einheimische vorbei an den Wachen, die fast niemanden beachteten und nur hin und wieder jemanden durchsuchten.
    »Das da muss draußen bleiben«, sagte eine Wache zu ihm und deutete auf das Pferd. »Bist du bewaffnet?«
    Bis zu den Zähnen, dachte Stape bei sich. »Ich will gar nicht hinein«, erwiderte er. »Ich habe einen Brief für Kitty den Hasen.«
    »Von dem haben wir nie gehört. Zieh Leine!«
    Unter dem scharfen Blick der Wachen holte Stape zwei Beutel aus seinen Satteltaschen, einen größeren und einen kleineren. Den kleineren reichte er der Wache. »Der da ist für euch. Teilt ihn euch. Der andere Beutel ist für Kitty den Hasen.«
    »Gib ihn nur her. Ich sorge dafür, dass er ihn kriegt.« Die Wachen, alle große Kerle und mit Bedacht wegen ihrer Grobschlächtigkeit gewählt, begannen Stape zu umzingeln. »Komm morgen oder noch besser übermorgen wieder.«
    »Dann behalte ich mein Geld bis dahin.«
    »Nein, das rate ich dir nicht«, sagte die Wache. »Bei mir ist es sicherer.«
    Er schritt so rasch, wie es einem Mann von zwei Doppelzentnern Gewicht möglich war, auf Stape zu und griff nach dem Geldbeutel. Stape schien sich geschlagen zu geben, er ließ die Schultern sinken. Doch als die Wache ihm vor die Brust stieß, nahm er die Hände des Mannes und drückte sie wie in einem Schraubstock zusammen. Das Knacken, das dabei zu hören war, war nicht sehr laut, aber die Wache ging mit einem Schmerzensschrei auf die Knie. Erst überrascht, stürzten nun auch die anderen los. Doch schon im nächsten Augenblick sahen sie, dass Stape ihrem Kollegen die Spitze eines Kurzschwertes an die Kehle hielt. Der Entsetzensschrei des Mannes, um Gottes willen nicht näher zu kommen, war gar nicht nötig.
    »Jetzt bringt mir den Dienst habenden Offizier und beeilt euch. Ich habe nicht vor, in dieser Jauchegrube länger als nötig zu bleiben.«
    Zwanzig Minuten später saß Stape in einem Vorzimmer, aber obwohl es zu den schönsten Räumen gehörte, die er jemals betreten hatte – die Wände waren geschmackvoll mit Zedern- und Sandelholz getäfelt und verströmten einen Wohlgeruch, der den Sinnen so sehr schmeichelte, dass er sich schon überlegt hatte, ob er nicht ein Stück herausbrechen und mitnehmen sollte -, war die Beklemmung nicht von ihm gewichen. Nicht wegen des Kampfes vor dem Tor von Kitty-Town, sondern wegen der Dinge, die er gesehen hatte, nachdem ihm der Zutritt erlaubt worden war. Dieser Haudegen, der die selbst in den Kriegen an der Ostfront für ihre beispiellose Grausamkeit berüchtigten Massaker in Odessa und in den polnischen Wäldern überwacht hatte, fühlte sich jetzt unwohl. Eine Tür am anderen Ende des Zimmers ging auf, und ein alter Mann trat ein und meldete höflich: »Kitty der Hase ist bereit, Euch zu empfangen.«
    Ein befremdlicher Geruch strömte Stape entgegen. Obwohl süßlich und eigentlich nicht unangenehm, trieb diese Süße dem Mönch leise Schauer den Rücken hinunter. Er war sich gewiss, so etwas noch nie gerochen zu haben, aber etwas warnte ihn, etwas brachte ihn bei allem erprobten Mut aus der Fassung. Aufgewühlt von den Szenen in Kitty-Town trat er durch die Tür, die

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