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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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und keinesfalls drohend.
    Eine Pause entstand, bis Cale schließlich die Füße vom Bett nahm, so als erhebe er sich nach einem erfrischenden Schlaf, und die Kapuze nach hinten streifte. Er starrte auf den Fußboden, als hätte er dort im Staub etwas höchst Wichtiges entdeckt.
    »Nun«, begann Vipond, »erkennt ihr mich wieder?«
    »O ja«, meldete sich Kleist zu Wort, »Ihr seid der Mann, den wir in den Scablands retten wollten.«
    »Richtig«, sagte Vipond. »Was habt ihr dort draußen gemacht?«
    »Wir sind Zigeuner«, behauptete Kleist. »Wir hatten uns verirrt.«
    »Was für Zigeuner?«
    »Ganz gewöhnliche«, sagte Kleist lächelnd.
    »Hauptmann Bramley glaubt, dass ihr versucht habt, mich zu bestehlen.«
    Kleist seufzte. »Hauptmann Bramley ist ein sehr, sehr böser Mensch. Wir wollten lediglich einem großen Mann das Leben retten, und was tut dieser Bramley? Er lässt uns wie Verbrecher in Ketten legen und in den Kerker stecken. Das zeugt nicht von Dankbarkeit.«
    Der forsch-fröhliche Ton, in dem Kleist die hochgestellte Persönlichkeit herausforderte, hatte etwas Atemberaubendes, so als erwartete er gar nicht, dass man ihm glaubte, ja mehr noch, es schien ihm gar nichts auszumachen, ob man ihm glaubte oder nicht. Vipond kannte dieses dreiste Auftreten nur von Männern, die er zum Galgen begleitet hatte, die also wussten, dass sie unrettbar verloren waren.
    »Wir waren wirklich gerade dabei Euch zu helfen«, setzte Vague Henri nach – und von seinem Standpunkt aus sagte er damit die Wahrheit.
    Vipond schaute zu Cale hinüber.
    »Wie heißt du?«
    Cale antwortete nicht.
    »Komm mit.« Vipond ging zur Zellentür. Der Kerkermeister öffnete sie rasch. Vipond blickte sich zu Cale um. »Nun komm schon, Junge. Bist du nicht nur frech, sondern auch taub?« Cale sah Henri fragend an. Der nickte ihm zu, als wollte er ihn drängen mitzugehen. Cale zögerte noch einen Augenblick, dann ging er langsam zur Zellentür.
    »Habt die Güte und folgt uns, Hauptmann Albin.« Vipond ging los, gefolgt von Cale und am Schluss Albin, sein Kurzschwert griffbereit in der Scheide. Kleist trat an die Gitterstäbe, als die Tür wieder verriegelt war. »Und was ist mit mir? Ich hätte auch Lust auf einen Spaziergang.«
    Die beiden Jungen hörten noch, wie die Außentür aufgesperrt wurde, dann war Cale verschwunden.
    »Sag mal«, wandte sich Vague Henri an Kleist, »du hast sie wohl nicht mehr alle.«

    Cale trat in einen eleganten Hof mit einem gepflegten Rasen in der Mitte. Er und Vipond spazierten jetzt nebeneinander auf dem Weg, der die Umfassungsmauer säumte.
    »Ich habe mich immer an den Grundsatz gehalten«, sagte Vipond nach anfänglichem Schweigen, »dass man auch seinem besten Freund nichts sagen soll, was man nicht auch seinem ärgsten Gegner mitteilen könnte. Aber was dich betrifft, sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, wo Aufrichtigkeit die beste Maxime ist. Also bitte, ich will keine Märchen von Zigeunern hören. Ich will die Wahrheit über euch wissen und was ihr in den Scablands getan habt.«
    »Ihr meint die Wahrheit, die ich meinem besten Freund anvertraue?«
    »Ich bin vielleicht nicht dein bester Freund, junger Mann, aber ich bin deine größte Hoffnung. Sag mir die Wahrheit, und dann sehe ich großzügig darüber hinweg, dass, anders als das Mädchen und der gutmütige Junge, die bereit waren, mir zu helfen, du und der andere Rüpel mich meinem Schicksal überlassen wolltet.«
    Cale sah ihn an. »Mylord, da wir von der Wahrheit reden, wenn Ihr Euch an unsere Stelle versetzt, hättet Ihr nicht auch überlegt, in welche Schwierigkeiten Ihr geraten wärt?«
    »Gewiss doch. Aber nun sprich weiter. Und wenn ich den Eindruck gewinne, dass du lügst, übergebe ich dich ohne Zögern Bramley und der macht kurzen Prozess.«
    Cale überlegte einen Augenblick, dann seufzte er, so als habe er sich entschieden.
    »Wir Jungen sind Zöglinge aus der Ordensburg der Erlösermönche in Shotover.«
    »Ah, endlich die Wahrheit«, sagte Vipond lächelnd. »Sie hat doch einen unverwechselbaren Klang. Und das Mädchen?«
    »Wir waren auf der Suche nach etwas Essbarem in den geheimen Kammern und Gängen, die die Mönche von den übrigen Räumen der Burg abgetrennt hatten. In einem dieser geheimen Orte haben wir sie gefunden. Außer ihr waren noch weitere dort.«
    »Frauen in der Ordensburg? Das ist aber seltsam. Oder vielleicht auch nicht.«
    »Man hat uns mit dem Mädchen gesehen, da blieb uns keine andere Wahl. Wir mussten

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