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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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als Cale.
    »Mein Gott«, begann Kleist, »ich dachte, wir hätten endlich mal ein bisschen Glück gehabt, hier gelandet zu sein.« Er sah Cale vorwurfsvoll an. »Du hast eine echte Begabung, Cale, Leute gegen dich aufzubringen. Das hätte hier eine ruhige Kugel werden können, aber schon nach zwanzig Minuten hast du dich mit den beiden größten Kotzbrocken angelegt.«
    Cale dachte über Kleists Bemerkung nach, erwiderte jedoch nichts.
    »Willst du heute Nacht abhauen?«, fragte Vague Henri.
    »Nein«, antwortete Cale immer noch nachdenklich. »Ich brauche Zeit, um so viel Zeug wie möglich auf die Seite zu schaffen.«
    »Länger zu warten ist nicht klug. Überleg doch mal, was alles passieren könnte.«
    »Das geht schon. Übrigens, ihr beide braucht nicht abzuhauen. Kleist hat ganz Recht, ihr habt es hier gut getroffen.«
    »Ha!«, sagte Vague Henri. »Sobald du weg bist, knöpfen sie sich uns vor.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Möglicherweise hat Kleist Recht, wenn er glaubt, irgendetwas an mir macht die Leute wütend.«
    »Ich gehe mit dir«, sagte Vague Henri.
    »Tu das nicht.«
    »Doch, ich gehe mit dir.«
    Ein langes Schweigen folgte, das schließlich von Kleist gebrochen wurde. »Also ich werde auch nicht allein hierbleiben«, sagte er und zog schmollend davon.
    »Wir könnten gehen«, sagte Cale, »ehe er wiederkommt.«
    »Es ist besser, wir bleiben zusammen.«
    »Das stimmt wohl, aber warum muss er immer maulen?«
    »Das ist eben seine Art. Aber sonst ist er in Ordnung.«
    »Wirklich?«, fragte Cale, offenbar nur mäßig interessiert.
    »Wann willst du abhauen?«
    »In einer Woche – hier lohnt es sich zu stibitzen. Wir brauchen Vorräte.«
    »Das ist zu gefährlich.«
    »Das ist zu machen.«
    »Der Meinung bin ich nicht.«
    »Nun, es geht um meinen Kopf, also ist es auch meine Entscheidung.«
    Vague Henri zuckte die Schultern. »Muss wohl so sein.« Er wechselte das Thema. »Was hältst du von diesem Munus-Zirkel – ziemlich eingebildet, die Burschen, oder?«
    »Ja, aber auch ziemlich gut.«
    »Und Riba, ob es ihr gut geht?«, fragte Henri.
    »Warum sollte es ihr nicht gut gehen?«, sagte Cale. Vague Henri machte sich Sorgen um sie, das spürte man.
    »Es ist halt so«, fuhr Henri fort, »dass sie nicht so abgehärtet ist wie du und ich. Sie würde es nicht ertragen, geschlagen zu werden. Sie ist anders großgeworden.«
    »Ihr geht es bestimmt gut. Vipond hat für uns alle gesorgt. Kleist hat das richtig beobachtet: Wenn ich nicht da wäre, würdet ihr eine ruhige Kugel schieben.« Er wusste nicht, was mit der Kugel gemeint war, aber er hatte den Ausdruck aufgeschnappt und mochte ihn. »Riba weiß, wie man mit anderen Leuten zurechtkommt. Deshalb wird sie in keine Schwierigkeiten geraten.«
    »Und du, warum kommst du nicht mit anderen Leuten zurecht?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Versuch es doch mal und eck nicht dauernd an. Und schau vor allem die anderen nicht an, als wolltest du ihnen am liebsten die Kehle durchschneiden.«
    Tags darauf sah sich Vague Henri in seiner Hoffnung getäuscht, der Streit mit Solomon Solomon und Conn Materazzi könnte sich legen. Der Aufseher fand einen anderen Vorwand für Cales Abstrafung, nur diesmal mitten auf dem Platz, sodass jeder es sehen und sich ermuntert fühlen konnte, es nachzuahmen. Conn Materazzi, feinsinniger als sein Meister, den er vor allen Dingen nicht imitieren wollte, schikanierte Cale weiterhin ohne besonderen Nachdruck. Der junge Aristokrat hatte ein Talent für Demütigungen und tat so, als sei Cale eine amüsante Last, mit der er sich auf nette Art abplagen musste. Groß und durch jahrelange Übung geschmeidig, versetzte er Cale leichthin Tritte in Waden und Hintern oder gab ihm eine kurze Ohrfeige, als ob es der Ehre zu viel wäre, einen Kerl wie Cale nach Strich und Faden zu verprügeln. Nachdem Cale auf diese Art vier Tage lang herumgeschubst worden war, machte sich Vague Henri ernstlich Sorgen um seinen Freund, und das nicht wegen der Prügel, die dieser von Solomon Solomon bezog. Cale war von den Kriegermönchen härtere Schläge gewohnt, als der Aufseher jemals austeilen konnte. Doch Schikanen, zum Gespött gemacht werden, das war eine neue Erfahrung für ihn. Vague Henri fürchtete, dass sich Cale herausgefordert fühlen und zurückschlagen könnte.
    »Mir scheint er ruhiger denn je«, sagte Kleist zu Henri, der sich neben ihn gesetzt hatte.
    »So ruhig wie ein Spukhaus, kurz bevor der Poltergeist zu rumoren beginnt.« Beide

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