Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
zeigte mit dem Finger auf eine Stelle links hinten am Kopf. Dann schwieg er wieder, als wollte er nichts weiter erklären.
    »Aber du warst nicht mehr so wie vorher, oder?«
    »Nein. Anfangs konnte ich nicht so gut kämpfen wie früher. Meine Bewegungen waren nicht mehr so aufeinander abgestimmt. Aber egal, was damals mit mir geschehen war, als man mir den Schädel einschlug, nach einer Weile habe ich mich daran gewöhnt.«
    »Woran gewöhnt?«, fragte Albin.
    »Wenn man einen Hieb oder Stoß ausführen will, heißt das, dass man sich schon entschieden hat, wo man den Gegner treffen will. Und darin verrät man sich immer – wohin man schaut, wie man den Körper dreht, wie man das Gleichgewicht hält. An all diesen Hinweisen kann der Gegner ablesen, wohin der Schlag gehen soll. Liest er sie falsch, dann steckt er einen Treffer ein, liest er sie richtig, pariert er den Hieb oder Stoß.«
    »Das weiß doch jeder Kämpfer und jeder Spieler«, wandte Albin ein. »Ein guter Kämpfer, ein guter Ballspieler weiß den Gegner zu täuschen.«
    »Aber nicht mich. Jetzt nicht mehr. Egal, welche Bewegung der andere ausführen will, ich erkenne sie stets vorher.«
    »Kannst du uns das beweisen?«, fragte Vipond. »Ich meine selbstverständlich, ohne jemanden zu verletzten.«
    »Bittet Hauptmann Albin, die Hände hinter dem Rücken zu halten.«
    Albin schien unwohl dabei, was dem bisher schweigend zuschauenden IdrisPukke nicht entging.
    »Ich würde ihm vertrauen, Hauptmann Liebling.«
    »Seid still, IdrisPukke.« Albin sah Cale fest an und nahm dann langsam beide Hände hinter den Rücken.
    »Ihr braucht nichts weiter zu tun, als zu entscheiden, welche Hand Ihr möglichst schnell auf mich richten wollt. Euch ist alles erlaubt, mich zu täuschen – Finten aller Art, Ihr dürft...«
    Noch ehe Cale seinen Satz beendet hatte, erhob Albin die linke Hand gegen Cale, doch der fing sie so lässig ab, als wäre es ein Ball, den ein Dreijähriger auf ihn geworfen hatte. Albin versuchte es noch sechsmal, immer mit dem gleichen Misserfolg.
    »Jetzt bin ich dran«, sagte Cale. Albin, gekränkt, wenn auch tief beeindruckt, willigte ein. Cale barg die Hände hinter dem Rücken, und nun spielten beide dasselbe Spiel mit vertauschten Rollen. Cale schnellte den Arm sechsmal vor und jedes Mal lag Albin mit seiner Wahl falsch.
    »Ich erkenne, welche Bewegung Ihr als Nächstes machen wollt«, sagte Cale. »Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde rascher als vor meiner Kopfverletzung, aber es reicht immer. Kein Gegner erkennt, was ich als Nächstes vorhabe, ganz gleich, wie schnell oder erfahren er ist.«
    »Und das kommt alles von einem Schlag auf den Kopf?«, fragte Albin.
    »Nein«, erwiderte Cale verärgert, ohne zu wissen warum. »Mein ganzes Leben lang hat man mir nur eines beigebracht. Ich hätte Conn Materazzi so oder so besiegt, vielleicht nicht so leicht und nicht mit den vier anderen auf einen Streich. Ihr seht, Hauptmann, das verdanke ich nicht nur einem Schlag auf den Kopf.«
    »Wie haben denn die Erlösermönche reagiert, als sie gemerkt haben, was mit dir passiert ist.«
    Cale stieß einen verächtlichen Laut aus, ein Gelächter ohne Vergnügen.
    »Von den Erlösermönchen hat es nur einer gemerkt: Bosco, der für die Ausbildung verantwortliche Kriegsmeister.«
    »Für die Kampfkunst, wie sie bei uns gepflegt wird?«
    Cale lachte und diesmal aus vollem Herzen.
    »Was ich mache, ist keine Kunst – fragt doch Conn Materazzi und seine Freunde.«
    Vipond übersah den Spott in dieser Antwort. »Was hat dieser Bosco getan, als er die Folgen deiner Kopfverletzung begriffen hat?«
    »Er hat mich monatelang zur Probe gegen ältere und stärkere Gegner kämpfen lassen. Darunter waren auch fünf Veteranen, echte Haudegen aus dem Krieg an der Ostfront, die, wie er behauptete, schon ihr Todesurteil gelesen hatten.« Cale schwieg wieder.
    »Und was geschah?«
    »Vier Tage nacheinander musste ich mit ihnen kämpfen. Töten oder getötet werden, so lautete die Devise. Nach dem vierten Tag setzte er die Kämpfe plötzlich ab.«
    »Warum?«
    »Er hatte genug gesehen, um Gewissheit über mich zu haben. Ein fünftes Duell wäre ein unnötiges Risiko gewesen.« Jetzt lächelte er wieder freudlos. »Schließlich kennt man bei einem solchen Kampf den Ausgang nicht. Es kann immer passieren, dass man einen dummen Schlag einsteckt.«
    »Und dann?«
    »Dann wollte er mich vervielfältigen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er verbrachte ganze Tage damit, die

Weitere Kostenlose Bücher