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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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nicht sein Amt als Kanzler antastete und ihm nicht ins Gehege käme. Ihr Verhältnis zueinander war seither zwar nicht immer leicht, doch es verlief, wie die Bauern aus dem Umland von Memphis sagten, in geraden Furchen.
    Nach Einlass in Materazzis Amtsräume nickte Vipond dem Marschall zu, der ihn seinerseits einlud, sich zu setzen.
    »Wie geht es Euch, Vipond?«
    »Sehr gut, Mylord. Und Euer wertes Befinden?«
    »Oh, ausgezeichnet.«
    Ein peinliches Schweigen entstand, peinlich für den Marschall, denn Vipond saß nur da und lächelte wohlwollend.
    »Wie ich höre, habt Ihr heute die Gesandtschaft der Norweger empfangen«, begann Materazzi.
    »Das ist richtig.«
    Die Norweger waren ein Volk am Rand des Reiches, das vor über fünfzehn Jahren erobert worden war. Sie genossen die Vorteile der Besatzung wie gute Straßen, geheizte Paläste und die Einfuhr von Luxuswaren, ohne ihre alte Rauflust zu verlieren. Vor fünf Jahren hatte der schon längst kriegsmüde Marschall, dem die Kosten für den Erhalt des Riesenreiches ein Dorn im Auge waren, endlich den Entschluss gefasst, sein Einflussgebiet fortan nicht weiter zu vergrößern. Die Norweger waren zwar treue Vasallen ihres Eroberers, trachteten aber allen Mahnungen zum Trotz ihr eigenes Territorium nach Norden auszudehnen. Verschlagen wie sie waren, suchten sie Streit mit ihren Nachbarn und gaben vor, angegriffen worden zu sein und keine andere Wahl gehabt zu haben, als sich durch Einmarsch vor der Kriegslust der Nachbarn zu schützen. Vipond wusste selbstverständlich, dass diese Angriffe in Wirklichkeit von norwegischen Soldaten ausgeführt worden waren, die sich zur Tarnung als Truppen der gegnerischen Partei verkleidet hatten.
    »Was haben sie denn zu ihrer Rechtfertigung vorgebracht?«
    »Ach, die übliche Behauptung, selbst Opfer zu sein«, sagte Vipond. »Ein friedliebendes Volk, das sich nur selbst verteidigt und im Übrigen loyal zu uns steht.«
    »Und was habt Ihr erwidert?«
    »Dass ich nicht von gestern sei und dass wir, sollten sie ihre Truppen nicht wieder in die Kasernen zurückschicken, ihnen die Unabhängigkeit anbieten.«
    »Wie haben sie das aufgenommen?«
    »Alle sechs Gesandten erbleichten vor Schreck und versprachen, die Truppen binnen einer Woche zurückzuziehen.«
    Materazzi sah Vipond vielsagend an. »Vielleicht sollten wir ihnen auf jeden Fall die Unabhängigkeit anbieten, ihnen und noch ein paar anderen Völkerschaften. Die Kosten für Verwaltung und Friedenssicherung sind ruinös für uns, sicherlich höher als die Steuereinnahmen, oder?«
    »Gewiss, aber in diesem Fall müsstet Ihr unsere Armee verkleinern und hättet eine große Zahl unzufriedener, marodierender Veteranen im eigenen Land oder Ihr müsstet ihnen den Sold weiterbezahlen.«
    Materazzi knurrte. »Da wären wir in der Zwickmühle.«
    »Keine Frage, Mylord. Aber wenn ich für Euch eine Studie in Auftrag geben soll...«
    »Warum habt Ihr Euch den Jungen geschnappt, der mein Schwert zerbrochen hat?«
    Solche überraschenden Themenwechsel waren Teil von Materazzis Taktik, einen schwierigen Gesprächspartner aus der Fassung zu bringen.
    »Ich bin für die Sicherheit in der Stadt verantwortlich.«
    »Ihr seid für die Abwehr aufrührerischer Umtriebe verantwortlich, aber nicht für gewöhnliche Polizeiaufgaben. Das hier fällt keinesfalls in Eure Verantwortung. Der Junge hat mein unbezahlbares Schwert zerbrochen und er hat meinen Neffen und die Söhne von vier Angehörigen des Hofes erheblich verletzt. Sie fordern sein Blut und, um ganz deutlich zu sein, ich ebenfalls.«
    Vipond dachte nach.
    »Das Schwert kann möglicherweise repariert werden.«
    »Davon versteht Ihr nichts, also behauptet so etwas nicht.«
    »Richtig, aber ich kenne jemanden, der sich bestens damit auskennt. Der Präfekt Walter Gurney ist von seiner Mission in Riben zurückgekehrt.«
    »Warum hat er mir nicht Bericht erstattet?«
    »Er ist krank und wird das Ende des Jahres wohl nicht erleben.«
    »Was hat das mit meinem Schwert zu tun?«
    »In Gurneys Bericht befindet sich eine ausführliche Darstellung der Schmiedekunst der Ribener. Der Verfasser versichert, noch nie vergleichbare Meisterstücke gesehen zu haben. Ich habe kurz mit ihm gesprochen und er sagte, wenn die >Schneide< überhaupt repariert werden kann, dann nur von den Ribener Schwertfegern.« Er legte eine Pause ein. »Selbstverständlich würde ich die Verantwortung und die Kosten übernehmen.«
    »Warum?«, fragte Materazzi. »Was bedeutet euch

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