Die linke Hand Gottes
Welt.
»Er ist derjenige, der Glück hatte. Wahrscheinlich wacht er jetzt gerade mit einem scheußlichen Schädelbrummen auf.«
»Du bist immer für Überraschungen gut.« Dann schwieg IdrisPukke für einen Moment. »Trotzdem, auch das erklärt nicht, warum du hier bist. Was hat das mit Vipond zu tun?«
»Vielleicht liegt es an dem Schwert.«
»Welches Schwert?«
»Conn Materazzis Schwert.«
»Was hat das alles mit seinem Schwert zu tun?«
»Na ja, es war eigentlich nicht sein Schwert.«
»Sondern?«
»Es war Marschall Materazzis Schwert, man nennt es >Schneide<.«
Wieder Schweigen.
»Nachdem ich mit Conn fertig war, nahm ich das Schwert, rammte es zwischen zwei Steine in der Mauer und zerbrach es.«
IdrisPukke fiel in tiefes, kaltes Schweigen. »Ein besonders hirnrissiger Fall von Vandalismus, wenn ich das so sagen darf. Dieses Schwert war ein Kunstwerk.«
»Zum Bewundern hatte ich keine Gelegenheit, weil Conn mich damit in Stücke hauen wollte.«
»Der Kampf war doch zu dem Zeitpunkt schon vorüber, wenn ich recht verstanden habe.«
Tatsächlich hatte Cale seine unbeherrschte Tat schon in dem Augenblick bereut, als er das Schwert zerbrach.
»Willst du meinen Rat hören?«
»Nein.«
»Ich gebe ihn dir trotzdem. Wenn du jemanden zur Strecke bringen willst, dann tu es. Wenn du ihn leben lassen willst, dann lass ihn leben. Aber mach aus beidem kein Theater.«
Cale kehrte IdrisPukke den Rücken und legte sich hin.
»Wenn du dich ausruhen willst, denke über Folgendes nach: Alles, was du getan hast, besonders aber, dass du das Schwert zerbrochen hast, bedeutet, dass du in der Hand des Dogen sein solltest. Nichts davon erklärt, warum du hier bist.«
Eine halbe Stunde später wurden beide vom Knarren der Zellentür aufgeschreckt. Cale richtete sich auf, als Albin und Vipond eintraten. Vipond sah ihn finster an.
»Guten Abend, Lord Vipond«, begrüßte ihn IdrisPukke mit freudiger Stimme.
»Schweig, IdrisPukke«, erwiderte Vipond, den Blick immer noch auf Cale geheftet. »Jetzt rede du – und ich will die ganze Wahrheit hören, oder bei Gott, ich werde dich auf der Stelle dem Dogen ausliefern. Und wenn du damit fertig bist, sage mir genau, wer du bist und wie es möglich ist, dass du Conn Materazzi und seine Gefährten so leicht überwunden hast. Ich meine es ernst – die Wahrheit oder ich lasse dich fallen wie eine heiße Kartoffel.«
Cale überlegte. Die Schwierigkeit bestand darin, wie viel er Vipond mitteilen musste, um ihn zu überzeugen, dass er eine ehrliche Haut war.
»Ich habe die Fassung verloren, so etwas passiert eben.«
»Warum hast du das Schwert zerbrochen?«
Cale sah beschämt aus. »Ja, das war dumm – dazu habe ich mich im Eifer des Gefechts hinreißen lassen. Ich werde beim Dogen um Entschuldigung bitten.«
Albin lachte. »Ja, ja, solange es dir leidtut.«
»Wo hast du so gut kämpfen gelernt?«, fragte Vipond.
»In der Ordensburg – mein ganzes Leben lang, zwölf Stunden täglich, sechs Tage in der Woche.«
»Willst du damit sagen, dass Henri und Kleist auch so gut kämpfen können?«
Die Frage brachte Cale in Verlegenheit.
»Nein, das heißt, sie sind zwar zum Kämpfen ausgebildet, aber Kleist ist eine Null. Er kann nur mit bestimmten Waffen gut umgehen.«
»Mit welchen?«
»Mit Speer und Bogen.«
»Und Henri?«
»Der ist gut, Proviant zu beschaffen, im Kartografieren und im Ausspähen.« Das stimmte zwar, war aber nicht die ganze Wahrheit.
»Also hätte keiner von den beiden das geschafft, was dir gelungen ist?«
»Ja, so ist es.«
»Gibt es in der Ordensburg noch andere mit denselben Fähigkeiten wie du?«
»Nein.«
»Was ist dann das Besondere an dir?«
Cale antwortete nicht gleich, damit die anderen glaubten, er zögere aus Widerwillen. »Mit neun Jahren war ich schon gut im Kämpfen – aber nicht so wie jetzt.«
»Was ist denn passiert?«
»Ich war in einem Übungskampf mit einem deutlich älteren Jungen. Wir kämpften mit harten Bandagen, wir hatten echte Waffen, nur waren die Klingen und die Spitzen stumpf. Ich bekam ihn zu fassen, drückte ihn zu Boden – doch ich wurde übermütig und er zog mich nach unten. Dann hat er mir mit einem Stein seitlich auf den Kopf gehauen. Das gab mir den Rest. Die Mönche haben uns getrennt, sonst hätte er mir den Schädel vollends zertrümmert. Ich blieb bewusstlos und wachte erst nach ein paar Wochen auf. Nach weiteren zwei Wochen war ich wieder auf dem Damm, ich behielt nur eine Delle im Schädel.« Er
Weitere Kostenlose Bücher