Die linke Hand Gottes
das war eine schreckliche Prüfung, gebt auf Euch Acht. Ich beanspruche Euch schon viel zu lange. Ihr müsst Euch ausruhen.«
Vipond erhob sich, pflichtete mit einem Kopfnicken dem Marschall bei und wandte sich zum Gehen. Er war schon bei der Tür, da rief ihm Materazzi aufgeräumt zu: »Die Reparatur des Schwertes geht also auf Eure Rechnung und Ihr kümmert Euch auch um die andere Sache.«
SIEBZEHNTES KAPITEL
Z wei Tage später waren IdrisPukke und Cale unterwegs auf der Landstraße Nummer sieben, auf denen Tag und Nacht Waren in und aus der größten Handelsmetropole transportiert wurden. Nach stundenlangem Schweigen stellte Cale schließlich eine Frage.
»Hat man Euch in die Nachbarzelle gesteckt, um mich auszuspionieren?«
»Ja«, sagte IdrisPukke.
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Warum fragst du dann?«
»Ich wollte sehen, ob ich Euch trauen kann.«
»Das kannst du nicht.«
»Vertraut Euch Kanzler Vipond?«
»Nur solange, bis er mich loswerden kann.«
»Warum hat er dann dafür, dass meinen Freunden nichts geschieht, die Bedingung gestellt, dass ich bei Euch bleiben muss?«
»Das hättest du ihn fragen sollen.«
»Das habe ich ja.«
»Und was hat er geantwortet?«
»›Sei nicht so neugierig‹.«
»Da hast du es.«
Cale sagte eine Weile gar nichts. »Was hat er getan, damit Ihr auch tatsächlich bei mir bleibt?«
»Er hat mich bezahlt.«
Das war nicht ganz gelogen, aber IdrisPukke fühlte sich durch mehr als nur durch Geld an Cale gebunden. Wenn Geld von Nutzen sein soll, muss man es auch irgendwo ausgeben können. Und für IdrisPukke existierte an jedem nicht ganz unwirtlichen Ort ein Gerichtsurteil, das ihn mit dem Tod oder Schlimmerem bedrohte.
Vipond hatte ihm lediglich seine, IdrisPukkes, düstere Zukunft ausgemalt – tatsächlich hatte er gar keine – und dann einen möglichen Ausweg angeboten. Zuerst ein halbwegs bequemes Versteck für ein paar Monate und dann, sofern er sich an die Abmachungen hielt, die Aussicht auf gestaffelte Begnadigungen, um ihn vor dem Beil der staatlichen Henker im Herrschaftsbereich der Materazzi zu bewahren.
»Und wer bewahrt mich vor dem Beil all derer außerhalb des Herrschaftsgebiets der Materazzi?«, fragte er Vipond.
»Das ist dein Problem. Wenn du aber das Vertrauen des Jungen erwirbst, von ihm Nützliches erfährst und ihn vor Dummheiten schützt, dann hätte ich etwas für dich.«
»Das ist ein bisschen mager, Mylord.«
»Für einen Mann in deiner Lage, und das heißt vor dem Abgrund, scheint mir das im Gegenteil sehr großzügig«, entgegnete Vipond. »Wenn du ein besseres Angebot hast, dann, bitte, greif zu.«
»Was machen wir eigentlich«, begann Cale wieder nach langem Schweigen, »wenn wir dort angekommen sind, wohin wir unterwegs sind?«
»Uns hübsch aus allem Streit heraushalten – und dir über einige Dinge die Augen öffnen.«
»Welche?«
»Warte ab, bis wir dort sind.«
»Wisst Ihr eigentlich, dass wir beschattet werden?«
»Die hässliche Visage in der grünen Jacke?«
»Ja«, sagte Cale, sichtlich enttäuscht.
»Ein bisschen arg auffällig, oder?«
Cale drehte sich um, als wäre auch ihm die Plumpheit ihres Beschatters aufgefallen. IdrisPukke lachte.
»Derjenige, der im Hintergrund die Fäden zieht, erwartet von uns, dass wir uns den Knaben schnappen und im nächsten Straßengraben liegen lassen. Der wirkliche Verfolger kommt erst gut zweihundert Schritte hinter ihm.«
»Wie sieht der aus?«
»Das ist deine erste Aufgabe. Finde das heraus, ehe ich ihn mir vorknöpfe.«
»Wollt Ihr ihn umbringen?«
IdrisPukke sah Cale an. »Was bist du doch für ein blutrünstiger kleiner Halsabschneider! Vipond hat uns angewiesen, uns möglichst unauffällig zu bewegen. Ich halte es daher nicht für ratsam, unseren Weg mit Leichen zu säumen.«
»Was habt Ihr also vor?«
»Pass gut auf, Söhnchen, und lern etwas.«
An den Straßen, die nach Memphis führten, stand alle fünf Meilen ein Wachhaus mit einem halben Dutzend Soldaten als Besatzung. An einem solchen Wachhaus geriet IdrisPukke, zu Cales nicht geringer Belustigung, in Streit mit einem Korporal.
»Guter Mann, das hier ist eine Vollmacht mit der Unterschrift des Kanzlers Vipond höchstpersönlich.«
Der Korporal blieb höflich, aber unnachgiebig.
»Es tut mir leid. Das Dokument sieht zwar echt aus, aber so ein Schreiben ist mir noch nie untergekommen. Üblicherweise unterschreibt der Oberkommandierende solche Vollmachten. Ich weiß, wie sie aussehen, und ich kenne
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