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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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bedeutete in der Ordensburg, eine gesalzene Tracht Prügel zu beziehen. Wer aber über sich selbst lachte und andere einlud mitzulachen, der setzte seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Nachts bekam Cale manchmal aus nichtigem Grund unbezähmbare Lachanfälle. IdrisPukke gab ihm auch weiterhin Proben seiner Lebensweisheit. »Die Liebe zwischen Mann und Frau ist das beste Beispiel dafür, dass die Hoffnungen dieser Welt nur Illusionen sind, denn – und darin liegt das Beispielhafte – Liebe verspricht so maßlos viel und hält so erstaunlich wenig.« Oder: »Ich brauche dir nicht zu sagen, dass dieses Leben die Hölle ist, das weißt du selbst, doch versuch auch zu verstehen, dass die Menschen einerseits die gequälten Seelen in dieser Hölle sind, andererseits aber auch die Teufel, die die Quälereien ausführen.« Und schließlich: »Kein Mensch mit wirklichem Verstand wird etwas für wahr halten, nur weil eine Autorität behauptet, es sei so und nicht anders. Halte nur das für wahr, wofür du selbst eine Bestätigung gefunden hast.«
    Im Gegenzug erzählte Cale ihm von seinem Leben bei den Erlösermönchen.
    »Anfangs flößten uns gar nicht mal die Prügel die meiste Furcht ein. Damals glaubten wir alles, was sie sagten. Selbst wenn wir gar nicht bei etwas Bösem ertappt wurden, so hieß es, seien wir doch sündig geboren und Gott sehe alles, was wir taten, also müssten wir auch alles beichten. Wenn wir nicht beichteten und im Stand der Sünde starben, würden wir in die Hölle kommen und dort in alle Ewigkeit brennen. Und tatsächlich starben alle paar Monate Zöglinge und man sagte uns, dass die Meisten im ewigen Höllenfeuer brennen würden. Damals lag ich nach dem Abendgebet, das immer mit der Frage schloss: >Und wenn ich heute Nacht sterben sollte?‹, oft noch lange wach. Manchmal glaubte ich felsenfest, wenn ich einschliefe, würde ich sterben und dann für immer in der Hölle brennen.« Er hielt einen Augenblick inne. »Wie alt wart Ihr, IdrisPukke, als Ihr zum ersten Mal Todesangst verspürt habt?«
    »Viel älter als fünf, das auf jeden Fall. Das war in der Schlacht am Ziegenfluss. Ich war damals siebzehn. Wir waren bei einem Erkundungsritt in einen Hinterhalt geraten. Mein erster echter Kampf im Krieg. Dabei war ich gut ausgebildet und schlug mich gut, dritter meines Jahrgangs. Die drusische Kavallerie stürmte den Hügel hinunter, und mit einem Mal herrschte nur noch ein lärmendes Chaos. Ich brachte kein Wort über die Lippen, die Zunge klebte mir am Gaumen. Ich zitterte und war drauf und dran mir, na ja...«
    »In die Hosen zu machen?«, bot Cale als Ergänzung an.
    »Ja, warum nicht ehrlich sein? Als alles vorbei war, und das Ganze dauerte nicht länger als fünf Minuten, war ich immer noch am Leben, aber ich hatte nicht einmal mein Schwert gezogen.«
    »Seid Ihr dabei gesehen worden?«
    »Ja.«
    »Was hat man Euch gesagt?«
    »Du wirst dich schon noch daran gewöhnen.«
    »Hat man Euch zur Strafe nicht geschlagen?«
    »Nein. Aber wäre mir das öfter passiert, hätte ich wohl nicht überlebt. Und dir ist das nie passiert?«, fragte IdrisPukke schließlich.
    Das war wahrhaftig keine leichte Frage. Dass IdrisPukke freigelassen und ihm Cale in Obhut gegeben worden war, war unter der Bedingung geschehen, dass er alles über den Jungen in Erfahrung brachte, vor allem aber die Gründe für seine Furchtlosigkeit und ob dies eine individuelle Tugend war oder ob die Erlösermönche ihn auf irgendeine Weise dazu gebracht hatten.
    »Als ich klein war, hatte ich ständig Angst«, gestand Cale nach einer Weile. »Aber das hörte irgendwann auf.«
    »Wie das?«
    »Ich weiß es nicht.« Das stimmte nicht, jedenfalls nicht ganz.
    »Und jetzt hast du überhaupt keine Angst mehr?«
    Cale sah ihn an. In den letzten Wochen hatte er immer wieder über IdrisPukke gestaunt und er fühlte sich ihm freundschaftlich und vertrauensvoll verbunden. Doch ein paar Wochen freundlichen und großzügigen Umgangs reichten nicht, um Cales tiefes Misstrauen zu überwinden. Er erwog, ob er das Thema wechseln sollte. Aber offenbar hatte es keine Konsequenzen, jetzt die Wahrheit zu sagen.
    »Ich fürchte mich vor Dingen, die in mein Leben eingreifen. Ich weiß, was der Erlöserorden mit mir vorhat. Das zu erklären, ist nicht einfach. Aber der Kampf mit Waffen ist etwas anderes. Was Ihr über die Schlacht – welche war es doch gleich? – gesagt habt...«
    »Die Schlacht am Ziegenfluss.«
    »Dass man am ganzen Leib zittert und sich in

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