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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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die Hosen macht.«
    »Glaub nicht, dass du Rücksicht auf meine Gefühle nehmen müsstest.«
    »Bei mir ist das ganz anders. Ich werde kaltblütig, ich sehe alles ganz klar.«
    »Und danach?«
    »Was meint Ihr?«
    »Hast du danach Angst?«
    »Nein. Meist fühle ich überhaupt nichts – nur nachdem ich Conn Materazzi ordentlich verprügelt hatte, da habe ich mich richtig wohlgefühlt. Übrigens nach wie vor. Aber wenn ich Soldaten in der Arena tötete, da fühlte ich mich nicht gut. Schließlich hatten sie mir vorher nie etwas getan. « Er schwieg. »Ich will jetzt nicht weiter darüber sprechen.«
    IdrisPukke war klug genug, Cale nicht weiter zu bedrängen.
    In den nächsten Wochen vertrug Cale gehaltvollere Kost immer besser, zum Beispiel Fisch in Teig gebacken, mehr Butter auf dem Gemüse und sogar einen Klacks Sahne auf den Brombeeren.

    Während Cale und IdrisPukke die friedliche Idylle von Treetops genossen hatten, waren sie die ganze Zeit über von einem Mann und einer Frau nicht aus den Augen gelassen worden. Das tat das ungleiche Paar nicht wie Eltern aus liebevoller Sorge, nein, sie waren aufmerksam, aber ohne Liebe.
    In den Geschichten um Gut und Böse haben die Guten das Pech, sich tölpelhaft zu benehmen, während die Bösen stets gerissen sind, diszipliniert vorgehen und raffinierte Pläne aushecken, die dann allerdings im entscheidenden Augenblick vereitelt werden. Die Bösen haben die Nase immer vorn. Im wirklichen Leben machen die Bösen genauso wie die Guten dumme und leicht vermeidbare Fehler, haben schlechte Tage und erleiden Schiffbruch. Auch die Bösen haben Schwächen, die ihren Willen zum Töten hemmen. Selbst die schwärzeste Seele hat ihre empfindliche Stelle. Und auch die raueste Gegend hat Quellen, schattige Ufer und glitzernde Bäche. Nicht ganz so wie die sprichwörtliche Sonne, die auf Gerechte wie Ungerechte gleichermaßen scheint, sondern eher eine Sache von Glück und Pech, von unverhofften Siegen und unverdienten Niederlagen.
    Daniel Cadbury hatte sich, mit dem Rücken an einen Maulbeerbaum gelehnt, wieder einmal in die Lektüre des Traurigen Prinzen vertieft. Nun klappte er das Buch zu und gab einen genüsslichen Laut von sich.
    »Sei doch still!«, raunzte die Frau, die die ganze Zeit über in eine andere Richtung geschaut hatte, ihm aber jetzt, da sie das Geräusch des zuklappenden Buches vernahm, einen giftigen Blick zuwarf.
    »Aber er ist doch gut zweihundert Schritte entfernt«, sagte Cadbury. »Der Junge hat sicher nichts gehört.«
    Die Frau sah noch einmal zu Cale hinüber, der am Ufer des nahen Flusses schlief, und fixierte dann erneut Cadbury. Wäre er ein anderer Mensch gewesen und nicht der gedungene Mörder, ehemalige Galeerensträfling und nun Spion im Dienst von Kitty dem Hasen, er wäre nervös geworden. Die Frau war nicht gerade hässlich, nur eben ohne jeden Reiz, aber ihre Augen, die vor Feindseligkeit leuchteten, hätten wohl jeden anderen aus der Fassung gebracht.
    »Willst du es dir mal ausleihen?«, fragte Cadbury und zeigte auf das Buch. »Es ist wirklich gut.«
    »Ich kann nicht lesen«, erwiderte sie. Ihr Verstand sagte ihr, dass er sie verhöhnen wollte, was tatsächlich der Fall war. Normalerweise wäre er nicht so unklug gewesen, Jennifer Plunkett zu reizen, eine gerissene Auftragsmörderin, die Kitty der Hase nur bei besonders schwierigen Fällen einsetzte. Er hatte aufgestöhnt, als Kitty ihm den Namen seines Kompagnons genannt hatte.
    »Oh, bitte nicht Jennifer Plunkett.«
    »Zugegeben, kein angenehmer Kompagnon«, kicherte Kitty, »aber es sind nun einmal viele sehr wichtige Personen an dem Jungen interessiert, mich eingeschlossen, und mein Gefühl sagt mir, dass es nicht ohne ein großes Schlachten abgehen wird, und genau das ist Jennifer Plunketts Fach. Also tu mir den Gefallen, Cadbury, und ertrage sie.« Damit war die Sache entschieden.
    Allein aus Langeweile ärgerte Cadbury die gefährliche Schlächterin mit dem stechenden Blick. Sie hatten den Jungen jetzt schon seit fast einem Monat beobachtet, und außer essen, schwimmen, schlafen und umherwandern hatte er nichts gemacht. Auch die Lektüre des Traurigen Prinzen, ein Buch, das er in vielen Jahren schon wiederholt gelesen hatte, war für Cadbury kein Mittel gegen seine wachsende Unruhe.
    »Nichts für ungut, Jennifer.«
    »Nenn mich nicht Jennifer.«
    »Bei irgendeinem Namen muss ich dich doch nennen.«
    »Nein, musst du nicht.« Sie schaute nicht weg und verzog keine Miene. Sie verfügte nur

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