Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
Schuld lag ganz allein an Riba, diesem undankbaren Stück.
    Dreimal hatte sie die falschen Klagen junger Männer angehört, die, und das war nun klar, sie nur deshalb aufsuchten, um sich nach dem Abspulen ihrer kriecherischen Huldigung möglichst schnell zu verabschieden und dann der dicken Schlampe Riba verliebte Augen zu machen. Konnte es etwas Demütigenderes geben? Nicht nur betrogen sie die schönste und am meisten begehrte Frau in Memphis – das war übertrieben, tatsächlich war sie höchstens Nummer fünfzehn, aber ihre Empörung hatte ihre Berechtigung -, sie taten dies auch noch mit einer Kreatur von der Größe eines Walfisches, die bei jedem Schritt wie Pudding wabbelte.
    Diese Beleidigung – und eine Frau dick zu nennen war für eine Angehörige der Materazzi eine tödliche Beleidigung – war jedoch nicht mehr berechtigt. Gewiss, Riba bot einen starken Kontrast zu ihrer Herrin und nicht nur zu ihr, zu allen Materazzi-Frauen, doch sie war durchaus weder ein Walfisch noch ein Wackelpudding. Außerdem war sie in den zwei Monaten in Memphis so beschäftigt gewesen, dass sie gar nicht mehr die Gelegenheit oder die Zeit hatte, so viel zu essen wie früher in der Ordensburg. Sie hatte daher einen erheblichen Teil ihrer Cremetortenschönheit verloren. Was früher etwas zu viel des Guten von einer bestimmten Sorte Liebreiz war, hatte sich jetzt in einen verführerischen einzigartigen Liebreiz verwandelt. Viele Materazzi-Männer, die sonst nur die knabenhafte Schlankheit ihrer Frauen kannten, fühlten sich von Ribas wippenden Formen, wenn sie im Gefolge ihrer hochnäsigen Herrin an ihnen vorüberschlenderte, immer stärker angezogen. Fast genauso anziehend wirkten ihr fröhliches Lachen und ihre offene Art. Die Materazzi-Männer wurden in der höfischen Form der Liebe erzogen, die im Wesentlichen in der Verehrung eines fernen unerreichbaren Gegenstandes ihres Verlangens bestand, und dieser Gegenstand, die Dame ihres Herzens, behandelte sie ausnahmslos wie Dreck. Dass viele junge Männer ihr Verlangen so rasch einer wirklich gut aussehenden Erscheinung zuwendeten, die sie obendrein nicht verachtete, das bedurfte keiner langen Erklärung.
    Schrecklich aufgebracht verließ Mademoiselle Jane ihr Versteck, eilte durch ihr Hauptgemach und trat in den großen Salon, wo Riba gerade die Tür hinter einem jungen Mann schloss, den sie lächelnd in einem Zustand von Berückung und Verlangen auf die Straße verabschiedet hatte. Mademoiselle Jane rief mit hysterischer Stimme nach der Haushälterin.
    »Anna-Maria! Anna-Maria!«
    Verdutzt sah Riba ihre vor Zorn rot gewordene Herrin an.
    »Was habt Ihr denn, Mademoiselle?«
    »Halt deinen Mund, du Speckwanst«, fauchte Mademoiselle Jane in gar nicht feinem Ton zurück, als die von den schrillen Schreien alarmierte Anna-Maria in den Salon stürzte. Mademoiselle Jane warf der Haushälterin einen Blick zu, als würde sie gleich platzen, dann zeigte sie auf Riba. »Wirf dieses falsche Luder aus meinem Haus. Ich will sie nicht mehr sehen.«
    Mademoiselle wollte schon ihren Wutausbruch mit einer kräftigen Ohrfeige in Ribas Gesicht krönen, verkniff es sich jedoch, als die Verblüffung in der Miene des Mädchens dem Ausdruck des Zornes wich. »Schaff sie mir aus den Augen!«, schrie Mademoiselle Jane ihre Haushälterin an, dann rauschte sie in ihre Gemächer ab.

ZWANZIGSTES KAPITEL
    I drisPukke ließ sich nicht davon abbringen, Cales Magen für feinere Genüsse aufnahmefähig zu machen. Dazu musste die neue Diät erst einmal betont einfach sein – aber war Einfachheit nicht eine Probe für das Können eines jeden guten Kochs? Beim nächsten Mal lud er Cale zu einem schlichten Abendessen ein: Forelle, frisch aus dem See unweit der Jagdhütte geangelt, dampfgegart, dazu gekochte Kartoffeln mit Kräutern und Salat. Cale war vorsichtig mit den Kartoffeln, da sie mit einer Idee Butter überschmolzen waren, aber sie blieben im Magen und am Ende bat er sogar um einen Nachschlag.
    So vergingen die Tage und Abende. Cale setzte seine Wanderungen mit und ohne IdrisPukke fort. Mal saßen sie schweigend nebeneinander, mal unterhielten sie sich ausgiebig, aber dann redete IdrisPukke die meiste Zeit über. Er brachte Cale bei, wie man Fische fängt und wie man sich in Gesellschaft bei Tisch benimmt, und war nie um Anekdoten aus seinem bewegten Leben verlegen, wobei er sich immer wieder über sich selbst lustig machte, was Cale weiterhin in Erstaunen versetzte. Einen Erwachsenen auslachen

Weitere Kostenlose Bücher