Die linke Hand Gottes
ab.
Von seiner Stellung direkt über dem Felsvorsprung schoss IdrisPukke zurück. Unmittelbar darauf folgte die Antwort der zweiten Wache, ihr Pfeil drang in das Gebüsch, wo sich IdrisPukke versteckt hielt.
In den folgenden Minuten flogen Pfeile hin und her. IdrisPukke erkannte, worauf dies hinauslaufen sollte: Eine der beiden Wachen schlich sich an ihn heran, während die andere IdrisPukke mit Pfeilen eindeckte. Da es nun rasch immer heller wurde, sanken mit jeder Minute Cales Chancen, einen erfolgreichen Ausbruchsversuch zu machen. IdrisPukke musste etwas unternehmen, wollte er nicht in die Ecke getrieben werden.
Cale bedeutete Arbell, sich nicht zu rühren und still zu sein, dann verließ er den Platz hinter dem Felsen und spurtete aus der Senke den Hang hinauf. Den Bogen gespannt, hoffte IdrisPukke, der andere Schütze werde sich mit einem voreiligen Schuss auf den nun im Freien laufenden Cale verraten. Doch der Schütze wartete kaltblütig ab, bis Cale den steilen Anstieg erreichte, wo er langsamer werden musste und ein leichtes Ziel bot. Der junge Mann brauchte nur vier Sekunden, dann hatte er den steilen Abschnitt erreicht, wo Hände und Füße in den lockeren, mit Tannennadeln bedeckten Boden sanken und ihm den Schwung nahmen. Er hatte schon drei Viertel der Steilstrecke hinter sich, da stolperte er über eine verdeckte Baumwurzel, kam ins Rutschen und suchte nach Halt. Das dauerte nur ein paar Sekunden, aber der Bogenschütze nutzte diese Gelegenheit. Der Pfeil schwirrte wie eine Wespe über das Terrain und traf Cale in dem Moment, als er über den Rand des Felsvorsprungs kletterte.
IdrisPukke stockte das Herz vor Schreck – in der Morgendämmerung war nicht zu erkennen, wo der Pfeil getroffen hatte, aber das Geräusch war eindeutig ein satter Schlag gewesen, weich und hart zugleich.
Und er steckte selbst in der Klemme. Die beiden Wachen hatten nur noch ihn als Gegner. Blieb er an seinem Platz, hatte er wenig Chancen, verließ er das Versteck, konnten die anderen seinen Platz einnehmen und brauchten sich nur über den Rand der Felskante lehnen und das Mädchen mit einem Pfeil erledigen. Jetzt, da nur noch zwei Erlösermönche übrig blieben, würden sie das gewiss auch tun. Das Gebüsch war dicht, es bot ihm einen guten Schutz, doch genau das würde den Wachen ebenfalls nützen. Alles hatte sich zu ihrem Vorteil verändert.
In den folgenden fünf Minuten gingen ihm viele unangenehme Gedanken durch den Kopf. Der herannahende Tod und die Versuchung, das Heil in der Flucht zu suchen. Sollte er hier den Tod finden, wäre dem Mädchen auch nicht geholfen – daran bestand kein Zweifel, wie ihm sein innerer Schweinehund einflüsterte. Statt einem Toten, wären es zwei. Doch er müsste dann mit dieser Last leben. A ber dam it kämst du schon zurecht, sagte er sich im Stillen. Lieber leben wie ein Hund, als ein to ter Held zu s ein.
Also steckte IdrisPukke das Schwert vor sich in den Boden und behielt den Bogen in der Hand. Und während er wartete, kreisten ihm weiter die Gedanken im Kopf. Und er wartete und wartete.
Schmerzen waren für Cale nichts Neues, doch der Pfeil, der ihn über dem Schulterblatt getroffen hatte, bereitete ihm eine noch nie gekannte Pein. Obwohl er die Zähne zusammenbiss, entschlüpfte ihm ein Winseln. Er hätte es genauso wenig hemmen können wie das Blut, das ihm warm den Rücken hinunterlief. Er begann am ganzen Körper zu zittern, so als bekäme er einen Anfall. Er atmete tief durch, aber der Schmerz ließ ihn nicht los und verschaffte sich in einem Keuchen Luft. Er setzte sich aufrecht und kämpfte das Keuchen nieder. Ihn überlief es kalt, dann verlor er das Bewusstsein. Als er wieder aufwachte, wusste er nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war – Sekunden, Minuten? Der Gegner würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Also musste er auf die Beine kommen, ganz gleich wie. Er schleppte sich bis zu einer Kiefer und zog sich an ihr hoch. Doch die Kräfte reichten nicht, er hielt inne, versuchte es erneut. Wenn er nicht auf die Beine kam, war das sein Tod. Er drehte sich um und lehnte die unverletzte Schulter gegen den Baumstamm, zu mehr reichte es nicht. Er übergab sich und verlor erneut das Bewusstsein. Dann ein neuer Schreck, ein neuer stechender Schmerz, diesmal von einem faustgroßen Stein, den ein zehn Schritte entfernt stehender Mönch auf ihn geworfen hatte.
»Dachte, du würdest dich tot stellen«, sagte der Mönch. »Wo sind die anderen?«
»Was sagst
Weitere Kostenlose Bücher