Die linke Hand Gottes
verordneten, die ihn Tag und Nacht nicht aus den Augen ließen. Mit ihren ebenso dummen wie verheerenden Methoden, Aderlass und Schröpfen, hätten sie um ein Haar das erreicht, was die brutale Erziehung in der Ordensburg auch nach Jahren nicht geschafft hatte. Und der Erfolg wäre ihnen sicher gewesen, wenn das Fieber nicht vorübergehend nachgelassen hätte und Cale für ein paar Stunden wieder zu Bewusstsein gekommen wäre. Als er die Augen aufschlug, war er zuerst verwirrt, denn er wusste nicht, wo er sich befand. Ein alter Mann mit einem roten Käppchen saß neben ihm und starrte ihn an.
»Wer seid Ihr?«
»Ich bin Doktor Dee«, antwortete der alte Mann und schickte sich an, mit einem nicht gerade sauberen Messer eine Vene in Cales Vorderarm zu öffnen.
»Was macht Ihr da?«, fragte Cale und zog den Arm weg.
»Still«, beruhigte ihn der alte Mann. »Du hast eine schlimme Pfeilwunde in der Schulter, die sich entzündet hat. Deshalb musst du zur Ader gelassen werden, damit das Gift den Körper verlassen kann.« Er fasste Cale am Arm und versuchte ihn festzuhalten.
»Lasst mich los, alter Narr!«, wehrte sich Cale, allerdings mit so schwacher Stimme, dass nur ein Flüstern zu hören war.
»So halte doch still!«, rief der Arzt. Sein Ruf drang glücklicherweise bis ins Vorzimmer und alarmierte IdrisPukke.
»Was ist denn los?«, erkundigte er sich von der Tür aus. Da sah er, dass Cale wieder bei Bewusstsein war. »Gott sei Dank!« Er trat an Cales Bett und beugte sich tief über den Jungen. »Ich freue mich, dich wieder wach zu sehen.«
»Sagt diesem Scharlatan, dass er mich in Ruhe lassen soll.«
»Er ist dein Arzt. Er ist hier, um dir zu helfen.«
Cale löste den Arm aus dem Griff des alten Mannes.
»Schafft ihn mir vom Hals«, sagte Cale. »Oder ich schneide ihm die Kehle durch.«
IdrisPukke gab dem Arzt mit einem Wink zu verstehen, dass er gehen solle. Das tat der auch, wenngleich mit allen Zeichen des gekränkten Berufsstolzes.
»Schaut Euch bitte meine Wunde an.«
»Ich verstehe nichts von Wundbehandlung. Lass das den Doktor machen.«
»Habe ich viel Blut verloren?«
»Ja.«
»Dann brauche ich keinen Kurpfuscher, der mir noch mehr Blut abzapft.« Er drehte sich auf die rechte Seite. »Sagt mir, welche Farbe die Wunde hat.«
Vorsichtig löste IdrisPukke den fleckigen und verschmutzt aussehenden Verband, was nicht ohne Schmerzen für Cale abging.
»Die Wunde ist voller Eiter – blassgrün – und an den Rändern rot.« Seine Miene war jetzt sehr ernst; er hatte früher solche Wunden gesehen und sie waren immer tödlich gewesen.
Cale stöhnte.
»Ich brauche Maden.«
»Wie bitte?«
»Maden. Ich kenne mich mit Wunden aus. Ich brauche an die zwanzig Maden. Wascht sie fünfmal in sauberem Wasser, am besten Trinkwasser, und bringt sie mir dann.«
»Soll ich nicht lieber einen anderen Arzt holen?«
»Bitte, IdrisPukke. Wenn Ihr nicht tut, um was ich Euch bitte, ist es aus mit mir.«
Und so kam ein Böses ahnender IdrisPukke eine halbe Stunde später mit zwanzig sorgfältig gewaschenen Maden, die er an einer toten Krähe aufgelesen hatte, wieder an Cales Krankenlager. Mithilfe einer Magd setzte er Cales genaue Anweisungen in die Tat um: »Wascht Euch die Hände, dann wascht sie nochmals mit abgekochtem Wasser. Legt die Maden in die Wunde. Nehmt saubere Verbandstreifen und wickelt sie so, dass sie fest auf der Haut sitzen. Sorgt dafür, dass ich auf dem Bauch liege. Flößt mir so viel Wasser ein wie möglich...« Kaum hatte er alle Anweisungen gegeben, wurde er erneut ohnmächtig und blieb vier Tage bewusstlos.
Als er die Augen wieder aufschlug, saß ein erleichterter IdrisPukke an seinem Bett.
»Wie geht es dir?«
Cale atmete tief durch.
»Gar nicht schlecht. Habe ich Fieber?«
IdrisPukke legte ihm die Hand auf die Stirn.
»Jedenfalls kein hohes. An den ersten beiden Tagen hast du förmlich geglüht.«
»Wie lange habe ich geschlafen?«
»Vier Tage – aber du warst sehr unruhig im Schlaf und hast viele Geräusche gemacht. Wir hatten Mühe, dich in Bauchlage zu halten.«
»Schaut doch mal unter dem Verband nach. Es juckt.«
Mit ungläubiger Miene begann IdrisPukke den Verband zu lösen und rümpfte schon im Voraus die Nase über das, was er gleich zu sehen bekommen würde.
»Sieht es schlimm aus?«, fragte Cale besorgt.
»Großer Gott!«
»Also?«
»Der Eiter ist fort – und die Rötung ebenfalls – jedenfalls das meiste.« Er nahm den Verband ganz weg und jetzt fielen die
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