Die Liste
ich den Schützen. Das Gerichtsgebäude wurde von einem merkwürdig abgeflachten Gewölbe gekrönt, auf dem eine kleine Kuppel mit vier unverglasten Fenstern saß. Dort hatte er sich eingerichtet, und als ich ihn zum ersten Mal sah, spähte er gerade über eines der Fensterbretter. Er schien ein schwarzes Gesicht und weißes Haar zu haben. Mich überlief es. eiskalt. Wir hatten es mit einem Psychopathen erster Güte zu tun.
Er lud nach, und als er so weit war, fing er wieder an, ziellos herumzuballern. Offenbar trug er kein Hemd, was die Situation noch eigenartiger machte, denn es war knapp unter null Grad, und für den Nachmittag war leichter Schneefall vorausgesagt. Ich fror erbärmlich, obwohl ich einen eleganten Wollanzug von Mitlo anhatte.
Der Brustkorb des Schützen war weiß mit schwarzen Streifen wie bei einem Zebra. Ein Weißer, der sich teilweise schwarz bemalt hatte.
Der Verkehr war zum Erliegen gekommen. Die Stadtpolizei hatte die Straßen abgesperrt. Beamte liefen geduckt umher oder saßen hinter ihren Fahrzeugen in Deckung. In den Schaufenstern erschien hin und wieder ein Gesicht, um kurz die Lage zu prüfen, und verschwand dann wieder. Das Feuer brach ab. Der Schütze duckte sich und war für eine Weile nicht zu sehen. Drei County Deputys rannten über einen Gehweg und verschwanden im Gerichtsgebäude. Lange Minuten vergingen.
Wiley Meek sprang die Treppenstufen zu meinem Büro hinauf und erschien an meiner Seite. Er atmete so heftig, als wäre er von seinem Haus draußen auf dem Land in die Stadt gesprintet. »Er hat unsere Fenster getroffen!«, flüsterte er beim Anblick der Glasscherben, als könnte uns der Heckenschütze hören.
288
»Zweimal.« Ich deutete mit dem Kopf auf die zerborstenen Scheiben.
»Wo ist er?«, fragte er, während er an einem Fotoapparat mit Teleobjektiv herumhantierte.
»In der Kuppel. Seien Sie vorsichtig. Er hat das Fenster zerschossen, als ich es geöffnet habe.«
»Haben Sie ihn gesehen?«
»Männlich, weiß, mit schwarzen Streifen.«
»Oh, einer von denen.«
»Lassen Sie den Kopf unten.«
Wir blieben einige Minuten in Deckung. Immer mehr Polizisten liefen ziellos herum und vermittelten den Eindruck, dass sie alles sehr aufregend fanden, aber nicht so recht wussten, was sie tun sollten.
»Jemand verletzt?«, fragte Wiley, dem plötzlich einfiel, dass ihm vielleicht ein blutrünstiges Foto entging.
»Wie soll ich das wissen?«
Unerwartet folgten sehr schnell aufeinander weitere Schüsse. Als wir hinter dem Stuhl hervorspähten, sahen wir den Schützen von den Schultern aufwärts. Er feuerte ununterbrochen. Wiley stellte seinen Fotoapparat ein und fing an zu fotografieren.
Baggy Suggs und seine Freunde hielten sich im Trinkzimmer im zweiten Stock des Gerichtsgebäudes auf, nicht direkt unter der Kuppel, aber auch nicht weit davon entfernt. Wahrscheinlich waren sie dem Heckenschützen am nächsten gewesen, als er seine Schießübungen begonnen hatte. Bei der neunten oder zehnten Salve waren sie zu dem Schluss gekommen, dass sie etwas unternehmen mussten, wenn sie nicht niedergemetzelt werden wollten.
Irgendwie gelang es ihnen, das klemmende Fenster ihres kleinen Verstecks zu öffnen. Wir sahen, wie ein Elektro-289
kabel herausgeworfen wurde, das fast bis auf den gut zwölf Meter tiefer liegenden Rasen reichte. Dann erschien Baggys rechtes Bein, das er über den Backsteinfenstersims schwang, während er seinen stattlichen Körper durch die Öffnung zwängte. Baggy hatte darauf bestanden, dass er der Erste war – keine große Überraschung.
»Ach, du lieber Gott«, sagte Wiley schadenfroh und hob den Fotoapparat. »Die sind voll wie die Haubitzen.«
Das Kabel entschlossen umklammernd, rutschte Baggy aus dem Fenster und begann seinen Abstieg in die Sicherheit. Welche Strategie er dabei verfolgte, war nicht ganz klar. Er schien seinen Griff nicht zu lockern, seine Hände klebten direkt über seinem Kopf an dem Kabel.
Offenbar war es lang genug, sodass seine Trinkkumpane ihn langsam hinunterließen.
Während er die Arme weiterhin über den Kopf hielt, wurden seine Hosen immer kürzer. Bald reichten sie nur noch bis knapp unter die Knie und gaben einen langen Streifen bleicher weißer Haut preis, der in schwarzen Socken endete, die ihm um die Knöchel hingen. Baggy hatte sich noch nie für Äußerlichkeiten interessiert –
weder vor noch während noch nach dem Zwischenfall mit dem Heckenschützen.
Das Feuer brach ab. Für eine Weile hing Baggy einfach
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