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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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einer belebten Straße in einer fremden Stadt verstecken zu müssen, ohne Verdacht zu erregen.
    Wiley duckte sich hinter das Lenkrad, den Fotoapparat schussbereit auf dem Schoß. Ich saß auf einer Bank und verbarg mich hinter einer Zeitung.
    Am ersten Tag bekamen wir ihn nicht zu Gesicht. Wir fuhren nach Clanton zurück. Am nächsten Morgen waren wir wieder in Broomfield. Um 11.30 Uhr hielt ein Fahrzeug der Strafanstalt vor dem Bürogebäude. Der Wärter ging hinein, holte seinen Gefangenen ab und begleitete ihn zum Mittagessen.

    Am 17. Juli 1977 prangten vier große Fotos auf unserer Titelseite – auf dem ersten war ein lachender Danny in Begleitung des Wärters auf dem Bürgersteig zu sehen, auf dem zweiten konnte man deutlich erkennen, wie die 351

    beiden das »City Grill« betraten, das dritte zeigte das Bürogebäude, das vierte das Tor des Camps in Broomfield. Die Schlagzeile schrie: PADGITT NICHT
    IM GEFÄNGNIS, SONDERN IM CAMP. Mein Artikel begann folgendermaßen:

    Vier Jahre, nachdem er wegen der Vergewaltigung von und des Mordes an Rhoda Kassellaw zu lebenslanger Haft im Staatsgefängnis von Parchman verurteilt wurde, ist Danny Padgitt in das neue Camp des Gefängnisses in Broomfield verlegt worden. Nach drei Jahren genießt er dort sämtliche Annehmlichkeiten eines Häftlings mit guten Beziehungen – einen Bürojob bei der Straßenbaubehörde, einen eigenen Aufpasser und ausgiebige Mittagessen (Cheeseburger und Milk-shakes) in örtlichen Restaurants, deren Gäste noch nie etwas von ihm oder seinen Verbrechen gehört haben.

    Der Artikel war so giftig und einseitig, wie es nur ging.
    Ich hatte die Kellnerin im »City Grill« wegen Padgitt gepiesackt, bis sie mir erzählte, dass er gerade einen Cheeseburger mit Pommes frites gegessen habe, dreimal in der Woche bei ihnen zu Gast sei und dass immer er die Rechnung bezahle. Ich rief ein Dutzend Mal bei der Straßenbaubehörde an, bis ich einen Abteilungsleiter am Apparat hatte, der etwas über Padgitt wusste. Er weigerte sich, meine Fragen zu beantworten, und in meinem Artikel stellte ich ihn so hin, als wäre er selbst ein Krimineller.
    Informationen aus dem Camp in Broomfield zu bekommen war ähnlich schwierig. Ausführlich schilderte ich meine Anstrengungen, dem Staatsgefängnis einen Kommentar aus der Nase zu ziehen, und deutete an, dass alle Bürokraten Padgitt deckten. Niemand in Parchman wusste etwas über die Angelegenheit, und falls sie doch 352

    etwas wussten, wollten sie nicht darüber reden. Ich rief den Leiter der Straßenbaubehörde an (ein gewähltes Amt), dann den Gefängnisdirektor von Parchman (zum Glück jemand, der ernannt wurde), den Generalstaatsanwalt, den Vizegouverneur und schließlich den Gouverneur persönlich. Sie waren natürlich alle viel zu beschäftigt, um mit mir zu reden, daher plauderte ich ein Weilchen mit ihren Speichelleckern und ließ sie hinterher wie Idioten aussehen.
    Senator Theo Morton schien tief erschüttert zu sein. Er versprach, der Sache unverzüglich auf den Grund zu gehen und mich sofort zurückzurufen. Bei Drucklegung wartete ich immer noch auf seinen Anruf.
    Die Reaktionen in Clanton waren gemischt. Viele von denen, die mich anriefen oder auf der Straße anhielten, waren wütend und wollten, dass etwas unternommen wurde. Nachdem Padgitt zu lebenslanger Haft verurteilt und in Handschellen abgeführt worden war, hatten sie geglaubt, dass er für den Rest seiner Tage in der Hölle von Parchman verschwinden würde. Einigen schien es gleichgültig zu sein. Sie wollten Padgitt vergessen. Für sie war die Sache erledigt.
    Und einige waren nicht weiter überrascht, was zuweilen fast zynische Züge annahm. Sie gingen davon aus, dass die Padgitts wieder einmal das Unmögliche möglich gemacht hatten, dass Geld in den richtigen Taschen verschwunden war, dass die richtigen Fäden gezogen worden waren. Zu diesem Lager gehörte auch Harry Rex.
    »Warum regen Sie sich eigentlich so auf? Es ist doch nicht das erste Mal, dass ein Gouverneur sich kaufen lässt.«
    Das Foto, auf dem Danny frei wie ein Vogel die Straße hinunterging, jagte Miss Callie einen gehörigen Schrecken ein. »Sie hat letzte Nacht kein Auge zugetan«, murmelte Esau, als ich am Donnerstag zum Mittagessen bei den 353

    Ruffins erschien. »Ich wünschte, Sie hätten ihn nicht gefunden.«
    Zum Glück griffen Zeitungen in Memphis und Jackson die Geschichte auf, die daraufhin ein Eigenleben entwickelte. Sie schafften es, so viel öffentlichen Druck zu

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