Die Liste
einige Anzeigen, die von den wohlhabenderen Kirchengemeinden geschaltet wurden, sowie Ankündigungen für Erweckungsversammlungen, Zusammenkünfte, gemeinsame Abendessen und zahllose andere Aktivitäten.
Mithilfe von Margarets Seite fertigte ich eine Liste sämtlicher Kirchen in Ford County an. Es waren insgesamt achtundachtzig, was sich allerdings jederzeit ändern konnte, da die Kirchengemeinden sich ständig aufteilten, auflösten oder an einem anderen Ort wieder auftauchten. Ich hatte mir als Ziel gesetzt, jede einzelne Gemeinde zu besuchen, was mit Sicherheit noch niemand vor mir getan hatte. Außerdem würde ich mich durch eine derart beachtliche Leistung in eine eigene Klasse unter den Kirchgängern katapultieren.
Die Vielfalt der Glaubensrichtungen war verblüffend –
wie hatten die Protestanten, die doch angeblich alle den gleichen Grundlehren anhingen, es nur geschafft, sich so zu spalten? Sie waren sich im Prinzip darin einig, dass Jesus (1) der einzige Sohn Gottes war, (2) von einer Jungfrau geboren worden war, (3) ein vollkommenes Leben geführt hatte, (4) von den Juden verfolgt und von den Römern verhaftet und gekreuzigt worden war, (5) am dritten Tag auferstanden und später in den Himmel
»gefahren« war. Einige waren (6) auch der Meinung, Jesus in der Taufe und im Glauben folgen zu müssen, um in den Himmel zu kommen.
Die Glaubenslehre war im Prinzip recht eindeutig, aber der Teufel steckte im Detail.
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Es gab bei uns keine Katholiken, keine Episkopalen und keine Mormonen. Das County wurde von Baptisten dominiert, doch sie waren ein gespaltener Haufen. Auf Platz zwei standen die Pfingstgemeinden, und es war offensichtlich, dass sie mit sich selbst genauso verbissen gekämpft hatten wie mit den Baptisten.
1974 machte ich mich an die gewaltige Aufgabe, jede Kirche in Ford County zu besuchen. Die Erste war das Volle Evangelium von Golgatha, eine recht lautstarke Versammlung der Pfingstgemeinde an einer Schotterstraße drei Kilometer außerhalb der Stadt. Der Gottesdienst begann wie angekündigt um 10.30 Uhr. Ich suchte mir einen Platz ganz hinten, so weit weg vom Geschehen wie möglich. Man begrüßte mich auf das Herzlichste, und bald wussten alle, dass ein Besucher anwesend war. Ich kannte keinen der Gläubigen. Prediger Bob trug einen weißen Anzug, ein marineblaues Hemd und eine weiße Krawatte.
Sein dichtes schwarzes Haar lag wie angeklebt an seinem Schädel. Die Menschen fingen an zu rufen und zu schreien, während er die Neuigkeiten aus der Gemeinde verlas.
Sie schwenkten die Arme hin und her und brüllten, als ein Solo gesungen wurde. Eine Stunde später – die Predigt begann endlich – war ich so weit, dass ich gehen wollte.
Die Predigt dauerte fünfundfünfzig Minuten und führte bei mir zu Verwirrung und Erschöpfung. Zuweilen bebte das ganze Gebäude, während die Gläubigen mit den Füßen auf den Boden stampften. Die Fenster klirrten, als der Geist über sie kam und ihre Stimmen immer lauter wurden.
Prediger Bob legte drei Kranken, die mit verschiedenen Leiden geschlagen waren, die Hand auf. Daraufhin verkündeten diese, geheilt zu sein. Einmal erhob sich ein Diakon und murmelte etwas in einer Sprache, die ich noch nie gehört hatte. Er ballte die Fäuste, kniff die Augen zusammen und ließ einen stetigen Schwall von Wörtern 358
aus seinem Mund fließen. Es war kein Theater; er simu-lierte nicht. Nach ein paar Minuten stand ein Mädchen aus dem Chor auf und fing an zu übersetzen. Gott verkünde eine Vision durch den Diakon. Einige unter uns trügen Sünden mit sich, die noch nicht verziehen seien.
»Bereuet!«, donnerte Prediger Bob. Die Gläubigen zogen die Köpfe ein.
Und wenn der Diakon mich gemeint hatte? Ich sah mich um und stellte fest, dass die Tür abgesperrt war und von zwei anderen Diakonen bewacht wurde.
Irgendwann hatten sich alle verausgabt, und zwei Stunden, nachdem ich mich hingesetzt hatte, stürmte ich durch die Tür nach draußen. Ich brauchte etwas zu trinken.
Am nächsten Tag schrieb ich einen netten kleinen Bericht über meinen Besuch beim Vollen Evangelium von Golgatha, der auf unserer Religionsseite veröffentlicht wurde. Ich schilderte die herzliche Atmosphäre in der Kirche, das schöne Solo von Miss Helen Hatcher, den wortgewaltigen Sermon von Prediger Bob und so weiter.
Die Kolumne war natürlich ein voller Erfolg.
Danach ging ich mindestens zweimal im Monat in die Kirche. Ich saß neben Miss Callie und Esau und hörte mir zwei
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