Die Liste
schon möglich«, sagte Miss Callie, die aber nicht überzeugt schien. Wir versuchten, einen Sinn in etwas zu erkennen, das vollkommen unverständlich zu sein schien.
»Trotzdem muss ich mit dem Sheriff über Ihre Entdeckung sprechen«, schloss ich.
»Wir haben versprochen, dass wir nie darüber reden werden.«
»Das war vor neun Jahren«, wandte Sam ein. »Und damals konnte sich niemand vorstellen, dass so was passieren würde.«
»Für Maxine Root ist es besonders wichtig«, gab ich zu bedenken.
»Glauben Sie nicht, dass inzwischen schon einige der anderen Geschworenen über die Abstimmung gesprochen haben?«, wollte Sam wissen.
»Vielleicht, aber es ist schon so lange her. Und ich bezweifle, dass einer der anderen Geschworenen seine Notizen aufgehoben hat.«
Von der Haustür drangen Stimmen zu uns. Bobby, Leon und Al waren gekommen. Sie hatte sich in St. Louis getroffen und waren dann gemeinsam nach Clanton gefahren. Wir tranken Kaffee in der Küche, und ich erzählte ihnen von den Morden. Miss Callie wurde plötzlich wieder munter und überlegte, was sie kochen würde. Dann schrieb sie auf, welches Gemüse Esau aus dem Garten holen sollte.
Sheriff McNatt war unterwegs und suchte jeden einzelnen Geschworenen auf. Ich musste unbedingt mit jemandem reden, also platzte ich in Harry Rex’ Büro und wartete ungeduldig, bis er eine Aussage fertig diktiert hatte. Als 434
wir allein waren, erzählte ich ihm von Miss Callies Liste und der Abstimmung der Geschworenen. Er hatte sich gerade zwei Stunden lang mit einer Horde Anwälte herumgestritten und war gereizt wie ein Stier.
Wie immer hatte er eine völlig andere, weitaus zynischere Theorie.
»Die drei sollten dafür sorgen, dass die Geschworenen sich bei der Schuldfrage nicht einigen können, denn dann wäre der Prozess gescheitert«, sagte er nach einer schnellen Analyse. »Aus irgendeinem Grund sind sie umgefallen. Vermutlich waren sie der Meinung, sie würden ihm was Gutes tun, indem sie ihn vor der Gaskammer retten, aber so denkt Padgitt natürlich nicht.
Er ist seit neun Jahren stinksauer, weil seine drei Strohmänner versagt haben. Die drei schnappt er sich zuerst, und dann macht er Jagd auf den Rest.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lenny Fargarson sich von Danny Padgitt hat bestechen lassen.«
»Nur, weil er verkrüppelt war?«
»Weil er ein sehr frommer Christ war.«
»Er war arbeitslos, Willie. Damals konnte er zwar noch arbeiten, aber er wusste, dass sich sein Gesundheitszustand im Laufe der Jahre verschlechtern würde.
Vielleicht hat er Geld gebraucht. Zum Teufel, jeder braucht Geld. Und die Padgitts haben es tonnenweise.«
»Ich glaube das einfach nicht.«
»Es ergibt mehr Sinn als Ihre verrückten Theorien. Wie war das noch mal – die Geschworenen werden von jemand anderem um die Ecke gebracht?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Gut, denn sonst hätte ich Sie jetzt einen hirnver-brannten Dummkopf genannt.«
435
»Sie haben schon Schlimmeres zu mir gesagt.«
»Heute Morgen nicht.«
»Ihrer Theorie nach haben Mo Teale und Maxine Root also Geld von den Padgitts genommen, Danny bei der Schuldfrage reingelegt, sich anschließend geziert, als es um die Todesstrafe ging, und bezahlen jetzt mit ihrem Leben dafür, weil sie nicht von Anfang an dafür gesorgt haben, dass die Geschworenen sich nicht einigen können?
Wollen Sie das damit sagen, Harry Rex?«
»Genau!«
»Der hirnverbrannte Dummkopf sind Sie. Warum sollte ein ehrlicher, hart arbeitender und gottesfürchtiger Mann wie Mo Teale Geld von den Padgitts nehmen?«
»Vielleicht haben sie ihn ja bedroht.«
»Vielleicht! Vielleicht haben sie ihn auch nicht bedroht!«
»Also, was denken Sie?«
»Es ist Padgitt, und die ersten beiden Geschworenen, die er umgelegt hat, sind zufällig zwei der drei Geschworenen, die gegen die Todesstrafe gestimmt haben. Er weiß nicht, wie die Abstimmung verlaufen ist. Zwölf Stunden nach dem Schuldspruch war er schon in Parchman. Er hat eine Liste gemacht. Fargarson war der Erste auf der Liste, weil er ein leichtes Ziel war. Teale war der Zweite, weil Padgitt ihm problemlos eine Falle stellen konnte.«
»Wer ist der Dritte?«
»Ich weiß es nicht, aber diese Leute werden sich nicht für immer in ihren Häusern verstecken können. Er wird den richtigen Augenblick abwarten und untertauchen, bis die Aufregung sich gelegt hat. Erst dann wird er wieder Pläne machen.«
»Er könnte einen Helfer haben.«
436
»Allerdings.«
Harry Rex’
Weitere Kostenlose Bücher