Die Liste
Telefon hatte die ganze Zeit über geklingelt.
Jetzt starrte er es an und sagte: »Ich muss arbeiten.«
»Ich gehe zum Sheriff. Wir sehen uns später.«
Ich hatte sein Büro schon verlassen, als er mir nachbrüllte: »He, Willie. Da wäre noch was.«
Ich drehte mich um und sah ihn an.
»Verkaufen Sie die Zeitung, nehmen Sie das Geld, und amüsieren Sie sich für eine Weile. Sie haben es sich verdient.«
»Danke.«
»Aber ziehen Sie bloß nicht aus Clanton weg.«
»Versprochen.«
Mr Earl Youry war beim County angestellt und fuhr einen so genannten Straßenhobel. Er ebnete die kleinen Landstraßen ein, deren Netz von Possum Ridge bis weit hinter Shady Grove reichte. Da er allein arbeitete, beschloss man, dass er für ein paar Tage in der Nähe der Maschinenhalle bleiben sollte, wo er viele Freunde besaß.
Die Männer hatten alle Gewehre in ihren Pick-ups und waren in Alarmbereitschaft. Sheriff McNatt setzte sich mit Mr Youry und seinem Vorgesetzten zusammen und arbeitete einen Plan aus, um Mr Youry zu schützen.
Dann rief Mr Youry den Sheriff an und sagte, er habe wichtige Informationen für ihn. Er gab zu, dass er sich nicht immer auf sein Gedächtnis verlassen könne, aber er war sicher, dass der verkrüppelte Junge und Mo Teale sich vehement geweigert hätten, die Todesstrafe zu verhängen.
Er könne sich noch daran erinnern, dass es eine dritte Stimme dagegen gegeben habe. Vielleicht sei es eine der Frauen gewesen, möglicherweise die farbige Dame. Er 437
wisse es nicht mehr genau, schließlich sei das alles schon neun Jahre her. Mr Youry stellte Sheriff McNatt die gleiche Frage, die auch mir nicht mehr aus dem Kopf ging: »Warum sollte Danny Padgitt die Geschworenen umbringen, die ihn vor der Todesstrafe bewahrt haben?«
Als ich ins Büro des Sheriffs kam, hatte dieser sein Telefonat mit Mr Youry gerade beendet und war so verwirrt, wie es unter diesen Umständen zu erwarten war.
Ich schloss die Tür und erzählte ihm, was Miss Callie mir anvertraut hatte. »Ich habe ihre Notizen gesehen, Sheriff.
Die dritte Stimme kam von Maxine Root.«
Eine Stunde lang käuten wir die gleichen Argumente wieder, die ich schon mit Sam und Harry Rex durchgesprochen hatte. Es ergab immer noch keinen Sinn.
Sheriff McNatt glaubte nicht, dass die Padgitts Lenny oder Mo Teale gekauft oder eingeschüchtert hatten. Bei Maxine Root war er sich nicht ganz so sicher, da sie aus anderen Verhältnissen stammte. Er war mehr oder weniger einer Meinung mit mir, dass die ersten beiden Morde Zufall gewesen waren und dass Padgitt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wusste, wie die Geschworenen abgestimmt hatten. Interessanterweise behauptete er, etwa ein Jahr nach dem Urteilsspruch herausgefunden zu haben, dass die Geschworenen bei der Todesstrafe mit neun zu drei Stimmen uneins gewesen seien und Mo Teale sich vehement dagegen ausgesprochen habe.
Aber da Lucien Wilbanks in die Sache verwickelt war, mussten wir einräumen, dass Padgitt vielleicht doch mehr über die Beratung der Geschworenen wusste als wir. Alles war möglich.
Und nichts ergab einen Sinn.
McNatt rief Maxine Root an, während ich vor seinem Schreibtisch saß. Sie arbeitete als Buchhalterin in der 438
Schuhfabrik nördlich der Stadt und hatte sich nicht davon abhalten lassen, zur Arbeit zu gehen. McNatt war am Morgen in ihrem Büro gewesen, hatte sich alles angesehen und mit ihrem Chef und ihren Kollegen gesprochen. Zwei seiner Deputys standen vor dem Gebäude und warteten, um Maxine nach Arbeitsschluss heimzubringen.
Ein paar Minuten plauderten sie wie alte Bekannte, dann sagte McNatt: »Maxine, ich weiß, dass du, Mo Teale und der junge Fargarson damals die Einzigen waren, die gegen die Todesstrafe für Danny Padgitt gestimmt …« Er schwieg, sie hatte ihn unterbrochen.
»Es spielt doch keine Rolle, wie ich das herausgefunden habe. Wichtig ist nur, dass es mich in Bezug auf deine Sicherheit nervös macht. Sehr nervös.«
Er hörte wieder eine Weile zu. Als sie gar nicht mehr aufhören wollte zu reden, unterbrach er sie gelegentlich mit Bemerkungen wie: »Maxine, ich kann nicht einfach losrennen und den Kerl verhaften.«
Und: »Sag deinen Brüdern, dass sie die Gewehre in ihren Pick-ups lassen sollen.«
Und: »Es ist zu spät, um jetzt noch die Todesstrafe für Padgitt zu verhängen, Maxine. Du hast damals doch nur das getan, was du für richtig gehalten hast.«
Sie weinte, als er das Gespräch beendete. »Armes Ding«, sagte er. »Ihre Nerven liegen
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