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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sei in einer Besprechung, und das war mir durchaus recht.
    Zwei Häftlinge putzten die vorderen Büros, zwei andere rupften vor dem Gebäude in einem Blumenbeet Unkraut.
    Ich ging um das Gefängnis herum. Dahinter gab es einen kleinen Platz mit einem Basketballkorb. Sechs Häftlinge hatten den Schatten einer kleinen Eiche aufgesucht. An der östlichen Seite des Gefängnisses standen drei Insassen hinter einem vergitterten Fenster und blickten auf mich herab.
    Insgesamt dreizehn Häftlinge. Dreizehn orangefarbene Overalls.
    Ich fragte Wileys Neffen nach den Verhältnissen im 67

    Gefängnis. Zuerst wollte er nichts sagen, aber er hasste Sheriff Coley wie die Pest und glaubte, mir vertrauen zu können. Er bestätigte Baggys Vermutung – Danny Padgitt residierte in der Zelle mit Klimaanlage, ließ es sich gut gehen und konnte Essen nach Wunsch ordern. Er kleidete sich, wie es ihm gefiel, spielte mit dem Sheriff persönlich Dame und hing ansonsten den ganzen Tag am Telefon.
    Die nächste Ausgabe der Times trug eine Menge dazu bei, meine Reputation als unerschrockener, mit Beschul-digungen nicht geizender dreiundzwanzigjähriger Narr zu festigen. Auf der Titelseite fand sich ein riesiges Foto von Danny Padgitt. Es zeigte, wie er mit Handschellen und in Zivilkleidung in das Gerichtsgebäude geführt wurde und dem Fotografen mit einem seiner typischen Blicke zu verstehen gab, er solle zur Hölle fahren. Direkt darüber prangte die fette Schlagzeile: DANNY PADGITT WIRD
    NICHT GEGEN KAUTION ENTLASSEN. Die Story war ausführlich und detailliert.
    Daneben gab es einen zweiten Artikel, fast genauso lang und sehr viel skandalträchtiger. Unter Berufung auf anonyme Quellen beschrieb ich darin eingehend, wie die Haftbedingungen für einen Danny Padgitt aussahen. Ich erwähnte alle Privilegien, die er genoss, inklusive der Damepartien mit Sheriff Coley, das Essen, den Farbfernseher, die freie Verfügung über das Telefon. Alles, was ich möglicherweise beweisen konnte. Dann verglich ich seine Haftbedingungen mit denen der anderen Insassen.
    Auf der zweiten Seite zeigte ein altes Schwarzweißfoto aus dem Archiv, wie vier Angeklagte in das Gerichtsgebäude geführt wurden, natürlich sämtlich in Overalls, mit Handschellen und ungekämmt. Ich hatte die Gesichter mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht.
    Wer immer sie auch sein mochten, sie sollten nicht noch weitere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müssen.
    68

    Daneben fand sich ein weiteres Foto von Danny vor dem Gerichtsgebäude. Wenn man sich die Handschellen wegdachte, hätte er genauso gut auf dem Weg zu einer Party sein können. Der Kontrast war augenfällig. Der Knabe wurde verhätschelt, und zwar von einem Sheriff, der sich bisher geweigert hatte, mit mir über die Angelegenheit zu reden. Ein großer Fehler.
    In meinem Artikel beschrieb ich ausführlich meine Bemühungen um ein Gespräch mit Coley. Auf meine Telefonate waren keine Rückrufe gefolgt. Zweimal hatte ich mich persönlich ins Gefängnis begeben, war aber nicht von ihm empfangen worden. Ich hatte eine Liste mit Fragen zurückgelassen, die er ignorierte. Ich stellte mich als engagierten jungen Reporter dar, der verzweifelt nach der Wahrheit suchte und dem von einem gewählten Gesetzeshüter die kalte Schulter gezeigt wurde.
    Da Lucien Wilbanks einer der unbeliebtesten Männer in ganz Clanton war, ließ ich auch ihn nicht ungeschoren. Ich hatte schnell herausgefunden, dass am Telefon eher Chancengleichheit herrschte. Nach vier Versuchen, ihn in seinem Büro zu erreichen, rief er mich endlich zurück.
    Zuerst wollte er keinen Kommentar über seinen Mandanten und die ihm zur Last gelegten Verbrechen abgeben, aber als ich beharrlich Fragen über Dannys Haftbedingungen stellte, explodierte er. »Ich bin nicht der Boss von diesem elenden Knast, Junge!«, knurrte er. Ich glaubte fast, seinen funkelnden Blick zu sehen. Der Satz war mir ein Zitat wert.
    »Haben Sie im Gefängnis mit Ihrem Mandanten gesprochen?«, fragte ich.
    »Natürlich.«
    »Wie war er angezogen?«
    »Haben Sie keine besseren Themen für Ihre Artikel?«
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    »Nein, Sir. Was für Kleidung hatte er an?«
    »Na, nackt war er nicht.«
    Auch das Zitat war zu gut, um es sich entgehen zu lassen, und ich präsentierte es in Fettdruck.
    Ein Vergewaltiger und Mörder, ein korrupter Sheriff und ein radikaler Anwalt auf der einen Seite, ich allein auf der anderen – mir war klar, dass ich aus dieser Geschichte nur als Sieger hervorgehen konnte. Die Reaktion

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