Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
auf, dass mein Kragen hinten völlig durchgeschwitzt war. Als Loopus mit der Titelseite fertig war, schlug er sie gemächlich um. In dem Sitzungssaal herrschte gespannte Stille. Würde er mich sofort ins Gefängnis werfen? Einem Gerichtsdiener zunicken, damit er mir Handschellen anlegte und mich abführte? Ich war kein Anwalt. Mir war eben mit einer 58

    Schadenersatzklage auf eine Million Dollar gedroht worden, und zwar von einem Mann, der solche Prozesse mit Sicherheit schon häufiger angestrengt hatte, und nun las der Richter meine ziemlich schauerlichen Artikel, während die ganze Stadt auf sein Urteil wartete.
    Angesichts etlicher strenger Blicke in meine Richtung kritzelte ich etwas auf meinen Notizblock, aber ich konnte nichts davon lesen. Ich tat mein Bestes, um eine gelassene Miene zu wahren. Tatsächlich wäre ich am liebsten aus dem Sitzungssaal gestürmt und mit Vollgas nach Memphis zurückgekehrt.
    Die Seiten raschelten, der Richter war endlich fertig. Er beugte sich ein bisschen zu seinem Mikrofon vor und gab ein paar Worte von sich, die meiner Karriere sofort einen Schub verliehen. »Sehr gut geschrieben«, bemerkte er.
    »Fesselnd, vielleicht ein bisschen makaber. Aber die Grenzen des Zulässigen werden mit Sicherheit nicht überschritten.«
    Ich kritzelte weiter, als hätte ich nichts gehört. In einem überraschenden, unvorhergesehenen und ziemlich peinigenden Scharmützel hatte ich über die Padgitts und Lucien Wilbanks die Oberhand behalten. »Glückwunsch«, flüsterte Baggy.
    Loopus faltete die Zeitung zusammen und legte sie vor sich. Er ließ es zu, dass Wilbanks sich noch ein paar Minuten lang aufregte und zeterte – angeblich war bei den Cops etwas durchgesickert, auch im Büro des Staatsanwalts, und wenn es so weiterging, würde bei der Anklagejury auch noch etwas durchsickern. Sie alle hätten irgendwie eine Verschwörung nicht namentlich genannter Leute koordiniert, die nichts anderes im Sinn hätten, als seinen Mandanten unfair zu behandeln. Tatsächlich zog er nur eine Show für die Padgitts ab. Da es ihm nicht gelungen war, den Angeklagten gegen Zahlung einer 59

    Kaution aus dem Gefängnis zu holen, musste er sie durch Übereifer beeindrucken.
    Loopus kaufte ihm nichts davon ab.
    Schon bald sollten wir erfahren, dass Wilbanks Auftritt nichts als ein Ablenkungsmanöver gewesen war. Er hatte keineswegs die Absicht, den Fall vor einem Gericht außerhalb von Ford County verhandeln zu lassen.
    60

    6
    eim Kauf der Times hatte ich mit der Zeitung zugleich auch das prähistorische Haus m B
    it den
    Redaktionsbüros erstanden. Es war nur wenig wert und stand an der Südseite des Clanton Square in einer Zeile von vier verfallenden Gebäuden, die jemand irgendwann eilig aus dem Boden gestampft haben musste. Es war ein breites, nicht besonders tiefes, zweistöckiges Haus, dessen Keller von allen Angestellten gefürchtet und gemieden wurde. An der Vorderseite gab es mehrere Büros.
    Gemeinsam waren ihnen zerschlissene, fleckige Teppiche, abblätternde Wände und ein Geruch nach vor hundert Jahren gerauchtem Pfeifentabak, der für alle Zeiten an den Decken zu kleben schien.
    Im hinteren Teil des Gebäudes, so weit wie möglich entfernt, stand die Druckerpresse. An jedem Dienstagabend schaffte es unser alter Drucker Hardy irgendwie, die alte Maschine wieder zum Leben zu erwecken und eine neue Ausgabe zu produzieren. In seinem Reich hing der durchdringende Geruch von Druckerschwärze.
    In dem Büro im ersten Stock gab es an den Wänden Bücherregale, deren Böden sich unter dem Gewicht staubiger Bände durchbogen, die seit Jahrzehnten niemand mehr aufgeschlagen hatte. Die Sammlung bestand aus historischen Werken, einer Shakespeare-Ausgabe, Anthologien irischer Gedichte und langen Reihen hoffnungslos veralteter englischer Enzyklopädien. Spot hatte geglaubt, solche Bücher beeindruckten seine Besucher.
    Durch die schmutzige Scheibe an der Vorderfront, auf die vor langer Zeit jemand das Wort TIMES gepinselt hatte, blickte man auf das Gerichtsgebäude und das davor 61

    stehende Bronzedenkmal eines Konföderierten, an dessen Fuß eine Plakette die Namen von einundsechzig Männern aus dem County verzeichnete, die im Bürgerkrieg gefallen waren, zum größten Teil in der Schlacht bei Shiloh.
    Das Denkmal konnte ich auch von meinem Büro aus sehen, das sich im zweiten Stock befand und dessen Wände ebenfalls mit Büchern tapeziert waren. Hier befand sich Spots Privatbibliothek, eine eklektizistische

Weitere Kostenlose Bücher