Die Liste
An-sammlung von Werken, die offenbar genauso lange nicht mehr aufgeschlagen worden waren wie die im Stockwerk darunter. Es sollte Jahre dauern, bevor ich eines davon in die Hand nahm.
Das Büro war geräumig und mit nutzlosem Kram und wertlosen Akten voll gestopft. An den Wänden hingen nachgemalte Porträts von Generälen der Konföderierten.
Ich liebte es. Bei seinem Abschied hatte Spot nichts mitgenommen, und nach ein paar Monaten schien immer noch niemand Interesse an dem Krempel zu haben.
Folglich blieb alles an Ort und Stelle, ohne dass sich jemand darum kümmerte. Ich selbst rührte praktisch nie etwas von den Sachen an, die allmählich in mein Eigentum übergingen. Spots persönliche Dinge – Briefe, Kontoauszüge, Notizen, Postkarten – hatte ich in Kartons verstaut, die nun in einem der vielen ungenutzten Räume am hinteren Ende des Flurs zustaubten und langsam verrotteten.
In meinem Büro gab es zwei große Fenstertüren, durch die man auf einen kleinen Balkon mit schmiedeeisernem Geländer hinaustrat. Darauf konnten es sich vier Leute in Schaukelstühlen bequem machen und auf den Platz hinabblicken. Nicht dass dort viel zu sehen gewesen wäre, aber es war eine angenehme Art und Weise, seine Zeit zu verbringen. Besonders, wenn man einen Drink neben sich stehen hatte.
62
Baggy war immer bereit, mir für einen Drink Gesellschaft zu leisten. Nach dem Abendessen brachte er eine Flasche Bourbon mit, und wir setzten uns in die Schaukelstühle. Die Kautionsanhörung war noch immer Stadtgespräch. Man ging davon aus, dass Danny Padgitt aus dem Gefängnis entlassen werden würde, sobald Lucien Wilbanks und Mackey Don Coley alles arrangiert hatten. Es würden Versprechungen gemacht und Geld-scheine über den Tisch geschoben werden. Irgendwie würde Sheriff Coley sich persönlich dafür verbürgen, dass Danny vor Gericht erschiene. Aber Richter Loopus hatte andere Pläne.
Baggys Frau war Krankenschwester und hatte die Nachtschicht in der Notaufnahme des Krankenhauses. Er arbeitete tagsüber, wenn man seine ziemlich träge Art, die Ereignisse in der Stadt zu verfolgen, Arbeit nennen wollte.
Offenbar war es gut, dass sie sich fast nie sahen, denn sie stritten häufig. Ihre erwachsenen Kinder hatten die Flucht ergriffen, sodass sie ihren Kleinkrieg in Ruhe fortsetzen konnten. Nach ein paar Drinks begann Baggy immer spitze Bemerkungen über seine Frau zu machen. Er war zweiundfünfzig, sah aber mindestens wie siebzig aus. Ich vermutete, es lag in erster Linie am Whiskey, dass er schnell alterte und sich zu Hause mit seiner Frau anlegte.
»Wir haben sie ganz schön in den Hintern getreten«, verkündete er stolz. »Noch nie zuvor ist einer Zeitung in einer öffentlichen Anhörung die Absolution erteilt worden.«
»Was genau ist ein Maulkorberlass?« Ich war ein schlecht informierter Neuling, und alle wussten es. Es hatte keinen Sinn, Wissen vorzutäuschen, wenn man keines hatte.
»Weiß ich nicht genau, hab nur davon gehört. Damit wollen die Richter wohl den Anwälten und den 63
Prozessführenden eine Art Schweigepflicht auferlegen.«
»Also sind Zeitungen nicht davon betroffen?«
»Nein. Das war bloße Effekthascherei. Wilbanks ist als Einziger hier in Ford County Mitglied der American Civil Liberty’s Union und kennt sich mit dem ersten Zusatzartikel der Verfassung und dem Recht auf freie Meinungs-
äußerung bestens aus. Ein Gericht kann einer Zeitung kein Druckverbot erteilen. Wilbanks hatte einen schlechten Tag. Es war offensichtlich, dass sein Mandant im Knast bleiben würde, also musste er eine Show abziehen.
Typisch für Anwälte. Bringt man ihnen schon auf der Uni bei.«
»Das heißt, wir werden nicht verklagt?«
»Um Gottes willen, nein. Zuerst mal gibt es ja keinen Grund für eine Klage. Wir haben niemanden beleidigt oder verleumdet. Natürlich sind wir mit einigen Fakten etwas lässig umgegangen, doch das betraf nur Kleinig-keiten, und wahrscheinlich hatten wir sowieso Recht.
Zweitens: Wenn Wilbanks einen Grund für eine Klage hätte, musste er den Prozess hier in Ford County anstrengen. Im gleichen Gerichtsgebäude, im gleichen Sitzungssaal und bei demselben Richter. Beim ehrenwerten Reed Loopus, der heute Morgen unsere Artikel gelesen und für gut befunden hat. Mit der Klage war’s schon vorbei, bevor Wilbanks auch nur zu Ende gesprochen hatte. Alles bestens.«
Meine Stimmung war alles andere als bestens. Ich hatte mir wegen einer Million Dollar Schadenersatz Sorgen gemacht und
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