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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sagte Loopus scharf.
    »Fahren Sie fort.«
    Wilbanks hielt die Zeitung hoch und wies auf die Titelseite. »Das Foto meines Mandanten, wer hat es gemacht?«
    »Mr Wiley Meek, unser Fotograf.«
    »Und wer hat die Entscheidung gefällt, dass es auf die Titelseite kommt?«
    »Ich.«
    »Wer hat über die Größe des Fotos entschieden?«
    »Ebenfalls ich.«
    »Ist Ihnen der Gedanke gekommen, dass man es als sensationslüstern betrachten könnte?«
    Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen – es war mir um die Sensation gegangen. »Nein«, antwortete ich kühl. »Zufällig hatten wir zu dem Zeitpunkt kein anderes Foto von Danny Padgitt zur Hand. Er war der einzige verhaftete Tatverdächtige, also haben wir es gebracht. Ich würde es wieder publizieren.«
    Meine Chuzpe überraschte mich. Ich blickte zu Harry Rex hinüber, der wieder sein fieses Grinsen aufgesetzt hatte. Er nickte mir zu. Mach Sie fertig, Junge.
    »Dann war es Ihrer Meinung nach also fair, das Foto zu veröffentlichen?«
    »Ich denke nicht, dass es unfair war.«
    »Beantworten Sie meine Frage. War es Ihrer Meinung nach fair?«
    »Ja, war es, und es war richtig.«, Wilbanks schien sich 131

    meine Antwort einzuprägen und sie für eine zukünftige Verwendung zu archivieren. »In Ihrem Artikel findet sich eine ziemlich detaillierte Beschreibung des Hauses von Rhoda Kassellaw. Wann haben Sie es inspiziert?«
    »Gar nicht.«
    »Wann haben Sie es betreten?«
    »Ich habe es nicht betreten.«
    »Sie waren nie in dem Haus?«
    »Korrekt.«
    Er schlug die Zeitung auf und ließ seinen Blick einen Augenblick über die Seite schweifen. »In Ihrem Artikel steht, das Schlafzimmer von Miss Kassellaws beiden kleinen Kindern sei etwa fünf Meter von dem ihrer Mutter entfernt, bezogen auf den Abstand zwischen den Türen.
    Nach Ihrer Schätzung beträgt der Abstand zwischen den Betten zehn Meter. Woher wussten Sie das?«
    »Ich hatte eine Quelle.«
    »Eine Quelle. War Ihr Informant in dem Haus?«
    »Ja.«
    »Ist es ein Polizist oder ein Deputy?«
    »Ich werde seine Identität nicht preisgeben.«
    »Wie viele vertrauliche Quellen haben Sie für diese Artikel angezapft?«
    »Verschiedene.«
    Ich hatte Publizistik studiert und erinnerte mich vage an den Fall eines Reporters, der sich in einer ähnlichen Situation auf anonyme Quellen berufen und sich geweigert hatte, ihre Identität zu offenbaren. Das hatte den Richter aufgebracht, und er hatte angeordnet, der Journalist solle seine Quellen nennen. Als dieser sich erneut weigerte, verurteilte ihn der Richter wegen Missbilligung des 132

    Gerichts, und die Cops sperrten ihn ins Gefängnis, wo er etliche Wochen zubrachte, ohne die Namen seiner Informanten preiszugeben. An den genauen Ausgang der Geschichte konnte ich mich nicht mehr erinnern, aber der Reporter wurde schließlich aus der Haft entlassen, und die freie Presse hatte die Oberhand behalten.
    Vor meinem geistigen Auge sah ich plötzlich, wie Sheriff Coley mir Handschellen anlegte und mich ab-führte, während ich nach Harry Rex schrie. Coley brachte mich ins Gefängnis, wo man mir meine Kleidung weg-nahm und mich in einen orangefarbenen Overall steckte.
    Für die Times wäre eine solche Entwicklung mit Sicherheit äußerst lukrativ, dachte ich. Junge, Junge, was für Storys ich im Knast schreiben könnte.
    »Sie behaupten, die Kinder hätten unter Schock gestanden«, fuhr Wilbanks fort. »Woher wussten Sie das?«
    »Ich habe mit Mr Deece gesprochen, dem Nachbarn der Kassellaws.«
    »Hat er das Wort ›Schock‹ benutzt?«
    »Ja.«
    »Dann schreiben Sie, die Kinder unterzögen sich jetzt in Missouri einer Therapie. Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Ich habe mit ihrer Tante telefoniert.«
    Wilbanks warf die Zeitung auf den Tisch und kam ein paar Schritte auf mich zu. Seine blutunterlaufenen Augen verengten sich zu Schlitzen, und er bedachte mich mit einem funkelnden Blick. Jetzt wäre der Revolver nützlich gewesen.
    »Tatsache ist, Mr Traynor, dass Sie ein drastisches Bild malen wollten, demzufolge die unschuldigen kleinen Kinder die Vergewaltigung ihrer Mutter und den anschließenden Mord mit angesehen haben, stimmt das 133

    etwa nicht?«
    Ich atmete tief durch und dachte über meine Antwort nach. Im Saal herrschte gespannte Stille. »Ich habe die Tatsachen so präzise wie möglich wiedergegeben.« Ich starrte zu Baggy hinüber, der zwar immer noch hinter der Frau in Deckung war, mir aber immerhin zunickte.
    »Weil Sie Auflage machen wollten, haben Sie sich auf

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