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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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stattfinden zu lassen. Sie wussten, dass Danny ohne jeden Zweifel schuldig war und auch anderswo von einer gut zusammengestellten Jury schuldig gesprochen werden würde. Ihre einzige Chance waren Geschworene, die gekauft oder eingeschüchtert waren. Da Schuldsprüche einstimmig gefällt werden mussten, benötigten sie nur eine Stimme für Dannys Unschuld. Nur eine Stimme, und die Jury wäre nicht entscheidungsfähig. Der Richter wäre gesetzlich verpflichtet, den Prozess zu einem Verfahren ohne Ergebnis zu erklären, einem Fehlprozess. Es würde mit Sicherheit eine Neuauflage geben, aber mit demselben Resultat. Nach drei oder vier Versuchen würde die Staatsanwaltschaft aufgeben.
    Ich war mir sicher, dass Baggy den ganzen Morgen im Gericht herumgehangen, mit seinem kleinen Klub über die Anhörung zum Thema Verhandlungsort diskutiert und sich die Schlussfolgerungen der Anwälte zu Eigen gemacht hatte. Er erklärte mit ernster Stimme, die Anhörung vom Vortag sei eine Inszenierung durch Wilbanks gewesen, und zwar aus zwei Gründen. Zunächst habe er versucht, einen Köder auszulegen, damit die Times ein weiteres großes Foto von Danny Padgitt bringe, diesmal in Häftlingskleidung. Zweitens habe er mich im 137

    Zeugenstand haben wollen, um mich in die Mangel nehmen zu können. »Und das hat er ja wohl getan.«
    »Danke, Baggy«, sagte ich.
    Wilbanks traf Vorbereitungen für ein Verfahren, das, wie er immer gewusst hatte, in Clanton stattfinden würde, und er wollte, dass die Times ihre Berichterstattung mäßigte.
    Der dritte oder vierte Grund bestehe darin, dass Lucien Wilbanks nie eine Gelegenheit auslasse, vor Publikum einen großen Auftritt zu zelebrieren. Baggy hatte das schon oft erlebt und erzählte sofort ein paar Geschichten.
    Ich weiß nicht mehr, ob ich damals mit diesen Theorien übereinstimmte, aber alles andere ergab keinen Sinn. So viel Aufwand für eine zweistündige Show schien Zeitverschwendung zu sein. Doch dürften vor Gericht schon schlimmere Dinge passiert sein.

    Beim dritten Festessen gab es Schmorbraten. Wir aßen auf der Veranda, während ein beständiger Regen auf das Blechdach niederging.
    Wieder musste ich bekennen, dass es für mich eine Premiere war. Miss Callie informierte mich eingehend über das Rezept und die Zubereitung des Bratens. Sie hob den Deckel von einem in der Mitte des Tisches stehenden großen Eisentopf und sog mit geschlossenen Augen den aromatischen Duft ein. Ich war erst eine Stunde auf den Beinen und so hungrig, dass ich in diesem Moment auch das Tischtuch verschlungen hätte.
    Ihren Worten zufolge war dies ihr einfachstes Gericht.
    Man musste nur eine Rinderkeule in den Topf geben, ohne das Fett zu entfernen, dann das Fleisch mit Frühkartoffeln, Zwiebeln, weißen Rüben, Karotten und Roter Beete bedecken, etwas Salz, Pfeffer und Wasser dazutun und das 138

    Ganze bei niedriger Temperatur fünf Stunden im Backofen garen lassen. Sie füllte meinen Teller mit Rindfleisch und Gemüse und goss eine zähflüssige Sauce darüber. »Die purpurne Färbung kommt von der Roten Beete«, erklärte sie.
    Dann fragte sie, ob ich das Gebet sprechen wolle, doch ich lehnte ab. Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr gebetet, da kannte sie sich sehr viel besser aus. Sie ergriff meine Hände, wir schlossen die Augen. Während sie betete, trommelte der Regen leise auf das Dach über unseren Köpfen.
    »Wo ist Esau?«, fragte ich.
    »Bei der Arbeit. Manchmal kann er zum Mittagessen nach Hause kommen, häufig aber nicht.«
    Ihre Gedanken waren woanders. »Darf ich Ihnen eine ziemlich persönliche Frage stellen?«, sagte sie nach einer Weile.
    »Natürlich.«
    »Kommen Sie aus einer christlichen Familie?«
    »Ja. Meine Mutter hat mich an Ostern in die Kirche mitgenommen.«
    Das reichte ihr nicht. Sie wollte auf etwas anderes hinaus. »In was für eine Kirche?«
    »In eine der Episkopalen, St. Luke’s in Memphis.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob es in Clanton eine Episkopalkirche gibt.«
    »Mir ist noch keine aufgefallen.« Nicht, dass ich eingehend danach gesucht hätte. »Welche Kirche besuchen Sie?«
    »Die Kirche Gottes in Christus«, antwortete sie rasch.
    Ihre Miene wirkte von Frieden erfüllt. »Der Pfarrer heißt Thurston Small. Er ist ein wunderbarer Geistlicher und ein 139

    sehr überzeugender Prediger. Sie sollten ihn einmal hören.«
    Ich hatte Erzählungen über die Gläubigkeit der Schwarzen gehört. Darüber, dass sie den gesamten Sonntag in der Kirche verbrachten, dass

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